‘Abdu’l-Bahá | Ansprachen in Paris
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13:9
Wir lesen im Qur’án, dass Muḥammad Seine Anhänger mit den Worten ansprach:
13:10
»Weshalb glaubt ihr nicht an Christus und das Evangelium? Warum wollt ihr Moses und die Propheten nicht anerkennen, ist doch die Bibel gewisslich das Buch Gottes? Wahrhaftig, Moses ist ein erhabener Prophet, und Jesus war erfüllt vom Heiligen Geiste. Er kam in die Welt durch die Macht Gottes, war geboren aus dem Heiligen Geiste und der gesegneten Jungfrau Maria. Maria, Seine Mutter, war eine Heilige des Himmels. Sie verbrachte ihre Tage betend im Tempel, und es kam ihr Nahrung von oben zu. Ihr Vater, Zacharias, kam zu ihr und fragte sie, woher die Nahrung käme, und Maria, antwortete ihm: ›Von oben‹. Gott hat Maria auserwählt, über alle andere Frauen erhaben zu sein.« Vgl. Qur’án 3:37 – Anm. d. Hrsg. Q
13:11
Das lehrte Muḥammad Sein Volk hinsichtlich Jesus und Moses. Er warf ihnen vor, dass sie nicht an diese großen Lehrer glaubten und gab ihnen die Lehren der Wahrheit und der Duldsamkeit. Muḥammad war von Gott gesandt, um unter einem Volk zu wirken, das so wild und unzivilisiert wie Tiere war. Es hatte keinerlei Verständnis und kein Gefühl für Liebe, Zuneigung und Mitleid. Die Frauen waren so erniedrigt und verachtet, dass die Männer ihre Töchter lebendig begraben durften, und sie hatten so viele Frauen zu Sklaven, als sie nur wünschten.
13:12
Unter diese halb tierischen Menschen wurde Muḥammad gesandt mit Seiner göttlichen Botschaft. Er lehrte das Volk, dass der Götzendienst falsch sei und dass es sich vor Christus, Moses und den Propheten beugen sollte. Unter Seinem Einfluss wurde es zu einem erleuchteteren und zivilisierteren Volk, und es erhob sich aus dem Zustand der Erniedrigung, in dem Er es vorgefunden hatte. War dies nicht ein gutes Werk und aller Anerkennung, Hochachtung und Liebe wert?
13:13
Schaut auf das Evangelium des Herrn Christus und seht, wie herrlich es ist! Und doch versäumen Menschen noch heute, seine unschätzbare Schönheit zu begreifen, und sie missdeuten seine Worte der Weisheit.
13:14
Christus verbot den Krieg. Als Sein Jünger Petrus in der Absicht, Seinen Herrn zu verteidigen, das Ohr des Hohenpriesterknechtes abschlug, sagte Christus zu ihm: »Stecke dein Schwert ein«Joh. 18:11.Q. Und doch streiten die Menschen trotz des ausdrücklichen Befehls des Herrn, zu Dessen Dienst sie sich bekennen, immer noch. Sie führen Krieg und töten einander, und Seine Ratschläge und Lehren scheinen ganz vergessen.
13:15
Doch ihr dürft nicht etwa die Meister und Propheten für die Übeltaten ihrer Anhänger belasten. Wenn die Priester, Lehrer und Menschen ein Leben führen, das im Gegensatz zur Religion steht, die sie angeblich befolgen – ist das wohl ein Mangel Christi oder der übrigen Lehrer?
13:16
Das Volk des Islám wurde gelehrt zu erkennen, dass Christus von Gott kam und aus dem Geist geboren war und dass Er von allen Menschen gepriesen werden müsste. Moses war ein Prophet Gottes und offenbarte an Seinem Tag und für das Volk, zu dem Er gesandt ward, das Buch Gottes.
13:17
Muḥammad erkannte die erhabene Majestät Christi und die Größe Mose und der Propheten an. Wollte nur die Welt die Erhabenheit Muḥammads und aller vom Himmel gesandten Lehrer anerkennen, so würden Streit und Hader bald von der Erdoberfläche verschwinden und das Reich Gottes unter die Menschen kommen.
13:18
Die Menschen des Islám, die Christus erheben, werden nicht dadurch erniedrigt.
13:19
Christus war der Prophet der Christen, Moses derjenige der Juden – warum sollten die Anhänger eines jeden Propheten nicht die übrigen Propheten gleicherweise anerkennen und ehren? Wenn die Menschen nur die Lehre des gegenseitigen Duldens, Verstehens und brüderlichen Liebens lernten, würde die Einheit der Welt alsbald vollendete Tat sein.
13:20
Bahá’u’lláh verwandte Sein Leben, um diese Lehre der Liebe und Einigkeit zu geben. So lasst uns denn alle Vorurteile und alle Unduldsamkeit hinwegtun und mit ganzem Herzen und ganzer Seele danach streben, Verständnis und Einigkeit zwischen Christen und Mohammedanern zu bewirken.
Gottes Wohltaten für den Menschen
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Avenue de Camoëns 4, 27. Oktober 1911
14:1
Gott allein ordnet alle Dinge und ist allmächtig. Warum dann schickt Er Seinen Dienern Prüfungen?
14:2
Die Prüfungen des Menschen sind von zweierlei Art: Erstens: Folgen seines eigenen Handelns, wenn jemand z. B. zu viel isst und dadurch Verdauungsstörungen erleidet oder Gift nimmt und infolgedessen krank wird oder stirbt. Wenn jemand spielt, so wird er Geld einbüßen, wenn er viel trinkt, das Gleichgewicht verlieren. Alle diese Leiden werden durch den Menschen selbst verursacht. Es ist darum völlig klar, dass gewisse Leiden das Ergebnis unserer eigenen Taten sind.
14:3
Zweitens: Eine andere Art von Leiden überkommt die Getreuen Gottes. Denkt an die großen Trübsale, die Christus und Seine Apostel erlitten!
14:4
Wer am meisten leidet, der wird die größte Vervollkommnung erfahren.
14:5
Wer viel um Christi willen zu leiden wünscht, muss seine Aufrichtigkeit beweisen, wer sein Verlangen nach großen Opfern kundgibt, kann die Wahrheit nur durch Taten dartun. Hiob bezeugte die Treue seiner Liebe zu Gott, indem er sowohl in seiner großen Trübsal als auch in den Erfolgen seines Lebens treu blieb. Die Apostel Christi, die alle ihre Prüfungen und Leiden standhaft trugen – bekundeten sie damit nicht ihre Treue? War ihr Ausharren nicht der beste Beweis dafür?
14:6
Diese Leiden sind nun ausgelitten.
14:7
Kaiphas lebte ein behagliches und glückliches Leben, während Petri Leben voller Sorge und Prüfung war. Wer von beiden ist beneidenswerter? Sicher würden wir den gegenwärtigen Zustand Petri wählen, besitzt er doch unvergängliches Leben, während Kaiphas ewige Schande erlangt hat. Die Prüfungen Petri erprobten seine Treue. Kummer und Sorge überkommen uns nicht zufällig, sie werden uns vielmehr durch die göttliche Gnade zu unserer eigenen Vervollkommnung gesandt.
14:8
Solange ein Mensch glücklich ist, mag er wohl Gott vergessen, doch wenn ihn Kummer ankommt und Sorge überwältigt, wird er sich des Vaters, der im Himmel ist und ihn aus seiner Erniedrigung zu befreien vermag, erinnern.
14:9
Menschen, die nicht leiden, erfahren keine Vervollkommnung. Die vom Gärtner am stärksten beschnittene Pflanze wird, wenn der Sommer kommt, die schönsten Blüten und die üppigsten Früchte bringen.
14:10
Der Landmann furcht die Erde mit dem Pflug, und aus einem solchen Boden erwächst die reiche und volle Ernte. Je mehr ein Mensch geläutert wird, desto größer ist die Ernte der geistigen Tugenden, die aus ihm hervorgehen. Ein Soldat gibt keinen guten General ab, ehe er nicht an der heftigsten Front des Kampfes war und tiefste Wunden empfangen hat.
14:11
Das Gebet der Propheten Gottes war allezeit und ist noch immer: O Gott! Ich sehne mich danach, mein Leben auf dem Weg zu Dir dahinzugeben. Es verlangt mich, mein Blut für Dich zu vergießen und das höchste Opfer darzubringen.
Schönheit und Harmonie in der Mannigfaltigkeit
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28. Oktober 1911
15:1
Der Schöpfer alles Erschaffenen ist ein Gott.
15:2
Von eben diesem Gott wurde die Schöpfung ins Dasein gerufen, und Er ist das eine Ziel, nach dem alles in der Natur Verlangen trägt. Diese Auffassung fand in den Worten Christi Ausdruck, als Er sagte: »Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende.«Vgl. Offb. 21:6 – Anm. d. Hrsg.QDer Mensch ist die Summe der Schöpfung, und der Vollkommene Mensch ist der Ausdruck für den vollendeten Gedanken des Schöpfers – das Wort Gottes.
15:3
Betrachtet die Welt der erschaffenen Wesen, wie diese verschiedenartig und mannigfach in der Art und doch eines einzigen Ursprungs sind. Alle in Erscheinung tretenden Unterschiede sind solche der äußeren Form und Farbe. Diese Mannigfaltigkeit der Typen ist in der gesamten Natur erkennbar.
15:4
Seht einen schönen Garten voll Blumen, Büschen und Bäumen an. Jegliche Blume hat einen anderen Reiz, eine besondere Schönheit, ihren eigenen köstlichen Duft und ihre eigene schöne Farbe. Und auch die Bäume: wie abwechslungsreich sind sie in Größe, Wachstum und Laubwerk, und welche Verschiedenheit an Früchten bringen sie hervor! Trotzdem entspringen alle diese Blumen, Büsche und Bäume dem gleichen Boden, die gleiche Sonne scheint über sie, und die gleichen Wolken geben ihnen Regen.
15:5
So ist es auch mit der Menschheit. Sie besteht aus Menschen unterschiedlicher Herkunft, und ihre Völker sind verschiedener Farbe, weiß, schwarz, gelb, braun oder rot, doch alle kommen sie vom gleichen Gott, und alle sind sie Seine Diener. Diese Mannigfaltigkeit innerhalb der Menschenkinder hat unglücklicherweise nicht die gleiche Wirkung wie innerhalb der pflanzlichen Schöpfung, bei welcher der zutage tretende Geist harmonischer ist. Unter den Menschen besteht die Mannigfaltigkeit der Feindschaft, und sie ist es, die Krieg und Hass unter den verschiedenen Nationen der Welt hervorruft.
15:6
Verschiedenheiten, die nur solche des Blutes sind, lassen sie auch einander vernichten und töten. Ach, dass dies noch immer sein muss! Lasst uns lieber auf die Schönheit in der Mannigfaltigkeit, die Schönheit des Zusammenklanges schauen und vom Pflanzenreich lernen. Würdet ihr einen Garten schauen, in dem alle Pflanzen der Form, der Farbe und dem Duft nach gleich sind, er würde euch ganz und gar nicht schön, sondern weit eher eintönig und langweilig erscheinen. Der Garten, der dem Auge gefällt und das Herz erfreut, ist der Garten, in dem nebeneinander Blumen aller Tönungen, Formen und Düfte wachsen, und der freudige Gegensatz der Farben macht den Reiz und die Schönheit aus. So ist es auch mit den Bäumen. Ein Obstgarten voller Fruchtbäume ist ein Entzücken, ebenso eine Pflanzung, die mit vielen Arten von Büschen bestanden ist. Gerade die Mannigfaltigkeit und das Vielerlei machen ihren Reiz aus. Jede Blume, jeder Baum und jede Frucht bringt außer ihrer Schönheit in sich durch ihren Gegensatz auch die Eigenschaften der übrigen hervor und zeigt auf vorteilhafte Art die besondere Lieblichkeit eines jeden und aller.
15:7
So sollte es auch unter den Menschenkindern sein! Die Vielfalt in der menschlichen Familie sollte die Ursache für Liebe und Harmonie sein, so wie in der Musik viele verschiedene Töne in einem vollkommenen Akkord zusammenklingen. Wenn ihr mit Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe als der eurigen zusammenkommt, so seid nicht misstrauisch gegen sie und zieht euch nicht in das Schneckenhaus herkömmlicher Förmlichkeit zurück, sondern seid froh und erzeigt ihnen Güte. Denkt an sie wie an verschiedenfarbige Rosen, die im schönen Garten der Menschheit wachsen, und freut euch, dass ihr unter ihnen seid.
15:8
Auch wenn ihr Menschen trefft, deren Meinung von der euren abweicht, kehrt euch nicht ab von ihnen, alle suchen die Wahrheit, und es gibt vielerlei Wege, die zu ihr führen. Wahrheit kann verschieden erscheinen, doch bleibt sie immer und ewig eine.
15:9
Lasst nicht Verschiedenheiten der Meinung oder Mannigfaltigkeit des Denkens euch von eurem Nebenmenschen trennen oder in euren Herzen zur Ursache von Wortstreit, Hass und Hader werden.
15:10
Forschet vielmehr fleißig der Wahrheit nach und machet alle Menschen zu euren Freunden.
15:11
Jedes Bauwerk besteht aus vielen verschiedenen Steinen, und doch hängt jeder Stein derartig von den übrigen ab, dass das ganze Gebäude leiden würde, wollte man nur einen davon verrücken. Ist ein Stein fehlerhaft, so ist das ganze Gefüge unvollkommen.
15:12
Bahá’u’lláh hat den Kreis der Einigkeit geschlagen. Er hat einen Plan geschaffen, um alle Völker zu vereinen und sie alle unter dem schützenden Zelt der allumfassenden Einheit zu versammeln. Dies ist das Werk der göttlichen Freigebigkeit, und wir alle müssen uns mit Herz und Seele mühen, bis wir die Einheit tatsächlich in unserer Mitte haben, und in dem Maß, in dem wir arbeiten, werden wir Kraft empfangen. Lasst von allen Gedanken des Ichs ab und seid bestrebt, allein dem Willen Gottes gehorsam und ergeben zu sein. So nur werden wir Bürger des Reiches Gottes werden und zum ewigen Leben finden.
Der wahre Sinn der Prophezeiungen vom Kommen Christi
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