Bahá’u’lláh | Das Buch der Gewissheit
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Sei gerecht: Kann man auf das Zeugnis derer bauen, deren Taten mit ihren Worten übereinstimmen und deren äußeres Verhalten ihrem inneren Leben entspricht? Der Geist ist bestürzt über das, was sie vollbrachten, die Seele ergriffen von ihrer Tapferkeit und dem Schmerz, den sie ertrugen. Oder soll man dem Zeugnis jener ungläubigen Seelen folgen, die nichts als den Hauch ihrer selbstsüchtigen Wünsche atmen und im Käfig ihres eitlen Wahns gefangen sind? Wie die Fledermäuse der Finsternis heben sie ihr Haupt vom Lager nur, um den flüchtigen Dingen der Welt nachzujagen, und finden keine Ruhe bei Nacht, es sei denn im Trachten nach ihren schmutzigen Lebenszielen. In ihre selbstsüchtigen Pläne versunken, vergessen sie den göttlichen Befehl. Bei Tag streben sie mit ganzer Seele nach weltlichem Gewinn, und bei Nacht widmen sie sich nur der Befriedigung ihrer Sinneslust. Welches Gesetz, welche Norm könnte die Menschen rechtfertigen, wenn sie, der Ablehnung dieser kleingeistigen Seelen folgend, den Glauben derer verwerfen, die um Gottes Wohlgefallen willen auf Leib und Gut, Ruhm und Namen, Ansehen und Ehre verzichtet haben?
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Wurde nicht, was sich im Leben des ›Fürsten der Märtyrer‹Imám Ḥusayn.A ereignete, als das größte Geschehen angesehen, als erhabenster Beweis seiner Wahrheit? Hat nicht das Volk von ehedem dieses Geschehen als beispiellos bezeichnet? Haben sie nicht gesagt, keine Demonstration der Wahrheit habe je solche Beständigkeit, eine so sichtbare Glorie an den Tag gelegt? Und doch war diese Episode seines Lebens, die am Morgen begann, schon am Mittag desselben Tages beendet, indes diese heiligen Leuchten achtzehn Jahre lang heldenhaft den Trübsalen standhielten, die von allen Seiten auf sie herabhagelten. Mit welcher Liebe, welcher Ergebenheit, welchem Jubel und heiligem Entzücken haben sie ihr Leben auf dem Pfade des Allherrlichen geopfert! Diese Wahrheit bezeugen alle. Wie kann man diese Offenbarung dennoch herabsetzen? War je ein Zeitalter Zeuge eines Geschehens von so großer Tragweite? Wenn diese Gefährten nicht wahre Gottsucher waren, wer sollte dann so genannt werden? Haben sie Macht oder Ruhm gesucht? Haben sie je nach Reichtum getrachtet? Haben sie jemals einen Wunsch gehegt außer dem, Gott zu gefallen? Wenn diese Gefährten mit all ihren erstaunlichen Zeugnissen und wunderbaren Werken Lügner waren, wer wäre dann würdig, einen Wahrheitsanspruch zu erheben? Ich schwöre bei Gott! Allein schon ihre Taten sind ein ausreichendes Zeugnis, ein unwiderlegbarer Beweis für alle Völker der Erde, würden die Menschen doch im Herzen über die Mysterien göttlicher Offenbarung nachdenken! »Und die Frevler werden bald erkennen, welches Los ihrer harrt!«Qur’án 26:227.Q
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Des Weiteren ist im Buche das Kriterium für Wahrheit und Irrtum aufgestellt. Mit diesem göttlichen Prüfstein müssen die Ansprüche aller Menschen bewertet werden, so dass der Wahrhaftige erkannt und vom Betrüger unterschieden wird. Dieser Prüfstein ist kein anderer als folgender Vers: »Wünscht euch den Tod, wenn ihr Menschen der Wahrheit seid.«Qur’án 2:94, 62:6Englisch zusätzlich 62:6.Q Denke nach über diese Märtyrer von unzweifelhafter Aufrichtigkeit, deren Wahrhaftigkeit der klare Text des Buches bezeugt. Sie haben, wie du erlebt hast, alles geopfert, ihr Leben, ihr Vermögen, ihre Frauen und ihre Kinder, und sind zu den erhabensten Gemächern des Paradieses aufgestiegen. Ist es gerecht, das Zeugnis dieser losgelösten, erhabenen Wesen für die Wahrheit dieser alles überragenden, herrlichen Offenbarung zu verwerfen und dem Verdammungsurteil zu folgen, das dieses strahlende Licht von jenem treulosen Volk erfahren hat, das des Goldes wegen seinen Glauben aufgegeben und im Streben nach Führerschaft Ihn, den ersten Führer der ganzen Menschheit, verworfen hat? Ihr wahrer Charakter ist jetzt vor allen offenbar: Sie wurden als Menschen erkannt, die für Gottes heiligen Glauben nicht einmal auf ein Jota, auf einen Deut ihrer irdischen Herrschaft verzichten, geschweige denn auf ihr Leben, Vermögen und dergleichen.
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Sieh, wie der göttliche Prüfstein nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Buches die Wahren von den Falschen geschieden hat! Doch sind sie sich dieser Wahrheit noch immer nicht bewusst. Im Schlafe der Achtlosigkeit trachten sie nach den Eitelkeiten dieser Welt, besessen von Gedanken an nutzlose, irdische Führerschaft.
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»O Sohn des Menschen! Viele deiner Tage sind dahingegangen, und es galt dir nur das eigene Verlangen voll Wunsch und Wahn. Wie lange noch willst du auf deinem Lager schlafen? – Wache auf! Denn hoch am Mittag steht die Sonne und will auch dir mit dem Licht der Schönheit scheinen.«vgl. Verborgene Worte, arab. 62 – Anm. d. Hrsg.Q
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Sei dir dessen bewusst, dass keiner der Doktoren und Geistlichen, die Wir angeführt haben, mit dem Rang und der Würde weltlicher Führerschaft bekleidet war. Denn wohlbekannte, einflussreiche Geistliche, die auf den Stühlen der Autorität sitzen und leitende Funktionen innehaben, können dem Offenbarer der Wahrheit keine Treue geloben – außer denen, die dein Herr will. Doch ist dies, bis auf wenige Fälle, nie geschehen. »Und nur wenige Meiner Diener sind dankbar.«Qur’án 34:13.Q So hat auch in dieser Sendung nicht einer der berühmten Geistlichen, in deren Amtsgewalt die Zügel des Volkes lagen, den Glauben angenommen. Nein fürwahr, sie haben ihn mit solcher Feindseligkeit und Entschiedenheit bekämpft, wie es noch kein Ohr gehört und kein Auge gesehen hat.
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Der Báb, der Herr, der Erhabenste – möge das Leben aller ein Opfer für Ihn sein – hat ein besonderes Sendschreiben an die Geistlichen in allen Städten offenbart, worin Er das Wesen ihrer Verleugnung und Ablehnung ausführlich darstellt. »Darum habt acht, ihr Menschen von Einsicht!«Qur’án 59:2.Q So auf ihren Widerstand hinweisend, wollte Er den Einwänden, die das Volk des Bayán am Tage der Offenbarung des ›Mustagháth ›Er, der angerufen wird‹. A, dem Tage der späteren Auferstehung, machen könnte, begegnen, indem Er betonte, dass in dieser späteren Offenbarung keiner der Geistlichen Seinen Anspruch erkennen werde, während in der Sendung des Bayán eine ganze Reihe von ihnen den Glauben angenommen hat. Er wollte das Volk warnen, damit es nicht, was Gott verhüte, so törichten Gedanken folge und sich selbst der göttlichen Schönheit beraube. Ja, die Geistlichen, auf die Wir Uns bezogen, waren meist unbekannt; sie waren durch Gottes Gnade von irdischen Nichtigkeiten geläutert und frei vom Joch der Führerschaft. »So groß ist Gottes Großmut. Er schenkt sie, wem Er will.«Qur’án 57:21; vgl. 62:4 – Anm. d. Hrsg.Q
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Ein weiteres Zeugnis der Wahrheit dieser Offenbarung, das unter allen anderen Beweisen wie die Sonne leuchtet, ist die Unerschütterlichkeit, mit der die Ewige Schönheit den Gottesglauben verkündete. Obgleich Er selbst jung und empfindsam und die heilige Sache, die Er offenbarte, allen Völkern der Erde zuwider war – seien sie hoch oder niedrig, reich oder arm, erhaben oder gering, König oder Untertan –, so stand Er doch auf und verkündete sie mit Standhaftigkeit. Alle haben dies erkannt und gehört. Er fürchtete niemanden und achtete nicht der Folgen. Wäre das möglich gewesen ohne die Kraft einer göttlichen Offenbarung, ohne das Walten von Gottes unbesiegbarem Willen? Bei der Gerechtigkeit Gottes! Sollte jemand in seinem Herzen den Anspruch auf eine so große Offenbarung hegen, so würde ihn allein der Gedanke daran alsbald mit Bestürzung erfüllen! Selbst wenn sich die Herzen aller Menschen in seinem Herzen vereinten, würde er vor einem so ehrfurchtgebietenden Unterfangen zurückschrecken. Nur mit Gottes Erlaubnis könnte er es vollbringen, und nur, wenn das Gefäß seines Herzens mit dem Quell göttlicher Gnade verbunden, seine Seele des unfehlbaren Beistandes des Allmächtigen versichert wäre. Wem, so fragen Wir staunend, schreiben sie ein so großes Wagnis zu? Klagen sie Ihn der Narrheit an, wie sie es mit den Propheten von ehedem taten? Oder behaupten sie, Sein Motiv sei einzig das Trachten nach Führerschaft und der Erwerb irdischen Reichtums?
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Gnädiger Gott! In Seinem Buch, das Er Qayyúmu’l-Asmá’ nannte, dem ersten, größten, mächtigsten aller Bücher, hat Er Sein eigenes Martyrium geweissagt. Dort finden wir folgende Stelle: »O Du Spur Gottes! Dir habe ich mich gänzlich geopfert; um Deinetwillen ertrage ich die Flüche, und auf dem Pfad Deiner Liebe sehne ich mich nach dem Martyrium. Gott, der Erhabene, der Beschützer, der Altehrwürdige der Tage, genügt mir als Zeuge!«Qayyúmu’l-Asmá’, Kap. 58; vgl. Der Báb, Eine Auswahl aus Seinen Schriften 2:29:1 – Anm. d. Hrsg.Q
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Auch in Seiner Auslegung des Buchstabens ›‹ flehte Er um das Martyrium. Er sprach: »Mich deucht, Ich hörte eine Stimme in Meinem Innersten rufen: ›Opferst Du das, was Du am meisten liebst, auf dem Pfade Gottes, wie Ḥusayn – Friede sei auf ihm – sein Leben dargebracht hat um Meinetwillen?‹ Und würde Ich nicht auf dieses unentrinnbare Mysterium achten – Ich schwöre bei Ihm, in dessen Händen Mein Leben ist: Selbst wenn sich alle Könige der Erde verbündeten, wären sie machtlos, einen Buchstaben von Mir zu nehmen, wie viel weniger können es diese Diener, die keine Beachtung verdienen und wahrlich der Abschaum sind … O dass doch alle den Grad Meiner Geduld, Ergebenheit und Selbstaufopferung auf dem Pfade Gottes erkennten!«
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Kann man glauben, der Offenbarer eines solchen Verses wandle auf anderen Wegen als auf dem Pfade Gottes und sehne sich nach anderem als nach Seinem Wohlgefallen? In diesem Vers liegt ein Hauch der Loslösung verborgen, der, wenn er weithin über die Welt wehte, alle Wesen dazu brächte, auf ihr Leben zu verzichten und ihre Seelen als Opfer darzubringen. Sinne nach über das schändliche Gebaren dieses Geschlechtes und sei Zeuge seiner erschütternden Undankbarkeit. Sieh, wie sie ihre Augen vor dieser Herrlichkeit verschließen und unterwürfig jenen verwesenden Leichnamen folgen, aus deren Bauch noch der Aufschrei vom Hab und Gut der Gläubigen zu vernehmen ist, das sie sich einverleibt haben. Welche unerhörten Verleumdungen haben sie gegen jene Morgenröten der Heiligkeit ausgestoßen! So zählen Wir dir auf, was die Hände der Ungläubigen vollbrachten, die am Tage der Auferstehung ihr Gesicht von der göttlichen Gegenwart abgewandt haben. Gott aber quält sie mit dem Feuer ihres Irrglaubens und hält in der künftigen Welt eine Strafe für sie bereit, welche ihnen Leib und Seele verzehren wird. Denn sie haben gesagt: »Gott ist machtlos, und die Hand Seiner Gnade ist gefesselt.«vgl. Qur’án 5:64 – Anm. d. Hrsg.A
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Standhaftigkeit im Glauben ist ein sicheres Zeugnis, ein herrlicher Beweis der Wahrheit. Das »Siegel der Propheten«Qur’án 33:40 – Anm. d. Hrsg.Q hat gesprochen: »Zwei Verse haben Mich alt gemacht.«Ḥadíth, in welchem der Prophet sagt, daß die Suren Húd (11) und al-Wáqi‘a (56) Ihn ergrauen ließen – Anm. d. Hrsg.Q Beide Verse künden von der Standhaftigkeit in der Gottessache. So hat Er gesprochen: »Sei standhaft, wie dir befohlen ward.«Qur’án 11:112; [42:15 – Anm. d. Hrsg.].Q
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Sieh, wie dieser Sadrih des Riḍváns Gottes sich in der Blüte der Jugend erhob, Gottes Sache zu verkünden, und welche Standhaftigkeit diese Schönheit Gottes dabei an den Tag gelegt hat. Die ganze Welt stellte sich Ihm in den Weg und ist damit völlig gescheitert. Je schwerer die Verfolgungen waren, mit denen sie diesen Sadrih der Seligkeit heimsuchten, desto mehr wuchs Sein Eifer, umso strahlender brannte die Flamme Seiner Liebe. All dies ist offensichtlich, und niemand bestreitet diese Wahrheit. Am Ende gab Er Sein Leben hin und nahm Seinen Flug zu den Reichen der Höhe.
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Unter den Wahrheitsbeweisen Seiner Offenbarung war auch die Überlegenheit, die überragende Macht und höchste Gewalt, die Er, der Offenbarer des Seins, die Manifestation des Angebeteten, allein und ohne Beistand in aller Welt enthüllt hat. Kaum hatte sich diese ewige Schönheit in Shíráz im Jahre sechzig offenbart und den Schleier der Verborgenheit zerrissen, als schon die Zeichen der überlegenen Macht, der Souveränität und Kraft aus diesem Inbegriff allen Seins, diesem Meer der Meere hervorstrahlten und in allen Landen offenkundig wurden – in einem Maße, dass in allen Städten die Zeichen, Beweise, Merkmale und Zeugnisse dieser göttlichen Sonne zutage traten. Wie viele reine, gütige Herzen spiegelten gläubig das Licht dieser ewigen Sonne, und wie mannigfaltig waren die Erkenntnisse, die sich aus diesem Weltmeer göttlicher Weisheit auf alle Wesen ergossen! In allen Städten erhoben sich die Geistlichen und Würdenträger, um sich ihnen in den Weg zu stellen und ihnen Einhalt zu gebieten; sie rüsteten sich mit Bosheit, Neid und Tyrannei zu ihrer Unterdrückung. Wie groß war die Zahl der heiligen Seelen, der reinen Wesen der Gerechtigkeit, die, der Gewaltherrschaft bezichtigt, getötet wurden. Und wie viele Verkörperungen der Reinheit, die nichts als wahres Wissen und makellose Taten zeigten, haben einen qualvollen Tod erlitten! Und dennoch hauchte ein jedes dieser heiligen Wesen bis zum letzten Atemzug den Namen Gottes und erhob sich in das Reich der Ergebung und Entsagung. So groß war die Wirkkraft und Sein verwandelnder Einfluss auf sie, dass sie keinen Wunsch mehr hegten als Seinen Willen, und ihre Seele Seinem Gedenken vermählten.
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Denke nach: Wer in dieser Welt ist imstande, eine so überlegene Macht, einen so durchdringenden Einfluss an den Tag zu legen? Alle diese makellosen Herzen und geheiligten Seelen haben in völliger Entsagung dem Ruf Seines Ratschlusses geantwortet. Statt zu klagen, dankten sie Gott, und inmitten der Finsternis ihrer Qual zeigten sie nur strahlende Ergebung in Seinen Willen. Es ist offenkundig, wie unbarmherzig der Hass, wie bitter die Bosheit und Feindschaft waren, die alle Völker auf Erden gegen diese Gefährten hegten. Was man diesen heiligen, geistigen Wesen an Verfolgung und Pein antat, betrachteten sie selbst als einen Weg zu Erlösung, Wohlergehen und ewigem Glück. Hat die Welt seit Adams Tagen je solchen Aufruhr, solch heftige Erregung gesehen? Zu all der Folter, die sie ertrugen, der vielerlei Trübsal, die sie erduldeten, wurden sie überall geschmäht und verflucht. Mich dünkt, Geduld ward nur durch ihre Seelenstärke offenbart, Glaubenstreue nur durch ihre Taten bezeugt.
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Denke in deinem Herzen tief nach über dieses gewaltige Geschehen, auf dass du die Größe dieser Offenbarung erfassest und ihre überwältigende Herrlichkeit verstehst. Dann wird der Geist des Glaubens durch die Gnade des Barmherzigen deinem Wesen eingehaucht, dann wirst du auf den Sitz der Gewissheit erhoben und dort wohnen. Gott ist Mein Zeuge! Würdest du eine Weile nachsinnen, so sähest du, dass, abgesehen von all diesen feststehenden Wahrheiten und angeführten Beweisen, die Verwerfungsurteile des Volkes der Erde, seine Verwünschungen und Verfluchungen an sich schon der mächtigste Beweis und das sicherste Zeugnis der Wahrheit dieser Helden auf dem Felde der Entsagung und Loslösung sind. Je mehr du über die spitzfindige Kritik des Volkes nachdenkst, sei sie von Gelehrten, Geistlichen oder Ungelehrten, desto fester und standhafter wirst du im Glauben werden. Denn alles, was geschah, ward von jenen geweissagt, welche die Verwahrungsorte göttlichen Wissens und die Empfänger des ewigen Gottesgesetzes sind.
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Wir hatten nicht vor, auf die Überlieferungen vergangener Zeiten einzugehen, doch wollen Wir in Unserer Liebe zu dir einige davon anführen, die sich zu Unserem Beweise fügen. Für nötig halten Wir sie nicht, da das schon Erwähnte der Welt und allem darinnen genügt. Tatsächlich sind in diesem kurzen Bericht alle heiligen Schriften und ihre Mysterien verdichtet – so vollständig, dass ein Mensch, der dies eine Weile in seinem Herzen bedächte, in allem Gesagten die Mysterien des Wortes Gottes entdecken und den Sinn all dessen, was dieser vollendete König offenbart hat, begreifen würde. Da die Menschen nach ihrem Verständnis und ihrer Stufe verschieden sind, wollen Wir einige Überlieferungen nennen, damit sie der schwankenden Seele Standhaftigkeit und dem verstörten Gemüte Ruhe einflößen. Dadurch wird Gottes Zeugnis für die Menschen, hoch und gering, vollendet werden.
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Eine der Traditionen lautet: »Und wenn das Banner der Wahrheit offenbart ist, dann verfluchen es die Menschen im Osten wie im Westen.« Der Wein der Entsagung muss getrunken werden, die erhabenen Höhen der Loslösung müssen erreicht werden, und tief muss man über die Worte nachsinnen: »Eine Stunde Nachdenkens ist mehr wert als siebzig Jahre frommer Andacht.«Ḥadíth So möge das Geheimnis entdeckt werden, warum sich die Menschen so erbärmlich verhalten und, obwohl sie sich zu Liebe und Wahrheitsstreben bekennen, die, welche der göttlichen Wahrheit folgen, verfluchen, sobald Er sich offenbart hat. Die genannte Tradition bezeugt diese Wahrheit. Es leuchtet ein, dass der Grund für dieses Verhalten kein anderer ist als die Abschaffung der Lebensregeln, Sitten, Gebräuche und Zeremonien, denen sie unterstanden. Hätte dagegen die Schönheit des Allbarmherzigen diese Regeln und Sitten, die im Volke Geltung hatten, übernommen und deren Einhaltung bestätigt, so wäre es nicht zu solchem Konflikt und Unheil in der Welt gekommen. Diese erhabene Tradition wird bestätigt durch das Wort, das Er offenbart hat: »Der Tag, da der Bote des Gerichts zu ernstem Werke laden wird.«Qur’án 54:6.Q
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Der göttliche Ruf des himmlischen Heroldes hinter den Schleiern der Herrlichkeit fordert die Menschen auf, allem völlig zu entsagen, woran sie hängen; doch damit steht er in Widerspruch zu ihren Wünschen. Darin liegt die Ursache für die bitteren Prüfungen und heftigen Erschütterungen, zu denen es gekommen ist. Sieh, welchen Weg das Volk nimmt: Den wohlbegründeten Traditionen, die sich allesamt erfüllt haben, schenken sie keine Beachtung, dafür klammern sie sich an solche von zweifelhafter Verbürgtheit und fragen, warum sich diese nicht erfüllt haben. Und doch wurde enthüllt, was ihnen unbegreiflich ist. Die Zeichen und Merkmale der Wahrheit scheinen wie die Mittagssonne, und dennoch wandert das Volk ziellos und verwirrt in der Wildnis der Unwissenheit und der Narrheit. Ungeachtet der Verse des Qur’án und der anerkannten Traditionen, die allesamt von einem neuen Glauben, einem neuen Gesetz und einer neuen Offenbarung sprechen, wartet dieses Geschlecht noch immer darauf, den Verheißenen zu schauen, der das Gesetz der islámischen Sendung aufrichten soll. Die Juden und die Christen vertreten denselben Standpunkt.
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Unter den Worten, welche ein neues Gesetz und eine neue Offenbarung vorausahnen lassen, sind die Stellen im Nudbih-Gebet› Klagelied‹ des Imám ‘Alí – Anm. d. Hrsg. A: »Wo ist Er, der vorgesehen ist, die Gebote und Gesetze zu erneuern? Wo ist Er, der die Vollmacht hat, den Glauben und die, die ihm folgen, zu verwandeln?« Ähnliches hat er in der Zíyárat Besuchsgebet, von Imám ‘Alí offenbart. A offenbart: »Friede sei auf der neugeschaffenen Wahrheit.« Abú-‘Abdi’lláh antwortete auf die Frage nach den Wesenszügen des Mihdí: »Er wird vollbringen, was Muḥammad, der Bote Gottes, vollbracht hat, und Er wird alles zerstören, was vor Ihm war, so wie der Bote Gottes die Wege derer zerstört hat, die vor Ihm waren.«
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Siehe, wie sie trotz dieser und ähnlicher Traditionen töricht behaupten, das früher offenbarte Gesetz dürfe auf keinen Fall verändert werden. Ist es nicht das Ziel jeder Offenbarung, eine Wandlung und Änderung in der ganzen Wesensart der Menschheit zu bewirken, eine Wandlung, die sich äußerlich wie innerlich erweisen und das innere Leben wie die äußeren Verhältnisse gestalten soll? Denn würde der Charakter der Menschen nicht gewandelt, so wären Gottes allumfassende Manifestationen offensichtlich ohne Nutzen. Im ‘Aválimshí‘itische Traditionensammlung – Anm. d. Hrsg.A, einem maßgeblichen, wohlbekannten Buch, ist verzeichnet: »Ein junger Mann aus den Baní-HáshimFamilie, der Muḥammad entstammte – Anm. d. Hrsg.A wird sich offenbaren, Er wird ein neues Buch enthüllen und ein neues Gesetz verkünden.« Dann folgen die Worte: »Die meisten Seiner Feinde werden Geistliche sein.« An einer anderen Stelle wird von ṢádiqJa‘far aṣ-Ṣádiq, der sechste Imám der Shí‘iten – Anm. d. Hrsg.A, dem Sohne Muḥammads, berichtet, dass er sprach: »Es wird ein Jüngling aus den Baní-Háshim erscheinen, Er wird das Volk auffordern, Ihm Treue zu geloben. Sein Buch wird ein neues Buch sein, zu dem Er die Menschen aufrufen wird, ihren Glauben zu bekennen. Streng ist Seine Offenbarung für die Araber. Wenn ihr von Ihm höret, so eilet Ihm entgegen.« Wie gut haben sie die Anweisungen der Imáme des Glaubens, der Lampen der Gewissheit, befolgt! Obwohl klar gesagt ist: »Wenn ihr höret, dass ein Jüngling aus den Baní-Háshim erschienen ist, der das Volk zu einem neuen göttlichen Buche und zu neuen göttlichen Gesetzen ruft, so eilet Ihm entgegen«, haben sie doch allesamt diesen Herrn des Seins zum Ungläubigen erklärt und Ihn als Ketzer verdammt. Sie eilten nicht zu diesem shimitischen Lichte, zu dieser göttlichen Manifestation, es sei denn mit gezogenen Schwertern und mit Herzen voll Bosheit. Beachte überdies, wie in den Büchern die Feindschaft der Geistlichen ausdrücklich erwähnt ist. Trotz all dieser klaren, bedeutsamen Traditionen, ungeachtet all der unverkennbaren, unbestreitbaren Anspielungen haben die Menschen den reinen Inbegriff des Wissens und der heiligen Sprache verworfen und sich den Ausgeburten des Aufruhrs und des Irrtums zugewandt. Ungeachtet dieser verbürgten Traditionen und offenbarten Aussprüche reden sie nur, was ihnen ihre selbstsüchtigen Wünsche eingeben. Sollte der Inbegriff der Wahrheit offenbaren, was ihren Neigungen und Wünschen zuwider ist, so werden sie Ihn alsbald einen Ungläubigen nennen und also gegen Ihn sprechen: »Dies widerspricht den Aussprüchen der Imáme des Glaubens und der strahlenden Lichter. In unserem unverletzlichen Gesetz ist so etwas nicht vorgesehen.« Auch am heutigen Tag haben armselige Sterbliche solche haltlosen Argumente vorgebracht.
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Und nun sieh, wie in der anderen Tradition alle diese Geschehnisse vorausgesagt sind. Im Arba‘ínTraditionensammlung – Anm. d. Hrsg.A steht geschrieben: »Aus den Baní-Háshim wird ein Jüngling erscheinen, der ein neues Gesetz offenbaren wird. Er wird das Volk zu sich laden, doch niemand wird auf Seinen Ruf achten. Die meisten Seiner Feinde werden Geistliche sein. Seinem Befehl werden sie nicht gehorchen, sondern Ihm also widersprechen: ›Dies widerspricht dem, was uns von den Imámen des Glaubens überliefert ist.‹« Heute wiederholen sie diese Worte und sind sich dessen gar nicht bewusst, dass Er den Thron des »Er tut, was immer Er will«vgl. Qur’án 2:253; 14:27; 22:14, 22:18 – Anm. d. Hrsg.Q einnimmt und auf dem Sitze des »Er befiehlt, was immer Ihm gefällt«vgl. Qur’án 5:1 – Anm. d. Hrsg.Q weilt.
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Kein Verstand kann das Wesen Seiner Offenbarung begreifen, keine Erkenntnis das volle Maß Seines Glaubens fassen. Alle Worte hängen ab von Seiner Bestätigung, und alles ist Seiner heiligen Sache bedürftig. Alles außer Ihm ist durch Seinen Befehl geschaffen, alles bewegt sich und hat Dasein durch Sein Gesetz. Er ist der Offenbarer göttlicher Geheimnisse, der Erklärer der verborgenen, altehrwürdigen Weisheit. So heißt es im Biḥáru’l-Anvár›Meer der Lichter‹, umfangreiche shí‘itische Sammlung von Ḥadíthen und Aussprüchen der Imáme aus dem 17. Jahrhundert – Anm. d. Hrsg.A, im ‘Aválim und im Yanbú‘Traditionensammlungen – Anm. d. Hrsg.A von Ṣádiq, dem Sohn Muḥammads, dass er folgende Worte gesprochen habe: »Wissen ist siebenundzwanzig Buchstaben. Alle Propheten haben zwei Buchstaben davon offenbart. Kein Mensch hat bis heute mehr als diese zwei Buchstaben gewusst. Doch wenn der Qá’im sich erheben wird, dann wird Er die übrigen fünfundzwanzig Buchstaben offenbar machen.« Bedenke: Er hat dargelegt, dass das Wissen aus siebenundzwanzig Buchstaben besteht und dass alle Propheten von Adam bis zum »Siegel« nur zwei Buchstaben davon zu erklären hatten und mit diesen beiden Buchstaben herabgesandt wurden, und dass der Qá’im alle übrigen fünfundzwanzig Buchstaben enthüllen werde. Dieser Ausspruch zeugt von der erhabenen Größe Seiner Stufe. Sein Rang übertrifft den aller Propheten, und Seine Offenbarung übersteigt die Erkenntnis und das Verständnis aller ihrer Auserwählten. Eine Offenbarung, von der die Propheten Gottes, Seine Heiligen und Auserwählten entweder nicht unterrichtet worden sind oder die sie nach Gottes unerforschlichem Ratschluss nicht enthüllt haben – eine solche Offenbarung suchen diese erbärmlichen, verworfenen Menschen mit ihrem schwachen Verstand, mit ihrem unzulänglichen Wissen und Verständnis zu messen. Wenn sie nicht mit ihrem Maßstab übereinstimmt, dann verwerfen sie sie auf der Stelle. »Meinst du, dass die meisten von ihnen hören oder verstehen? Sie sind wie das Vieh. Nein, weit ärger noch sind sie abgeirrt vom Pfad!«Qur’án 25:44.Q
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Wie nun, so fragen Wir Uns, legen sie die obengenannte Tradition aus, eine Überlieferung, die in unmissverständlichen Begriffen die Offenbarung unerforschlicher Dinge, das Eintreffen neuer, wundersamer Ereignisse an Seinem Tage vorausschaut? Diese erstaunlichen Geschehnisse entfachen einen so heftigen Streit im Volke, dass alle Geistlichen Ihn und Seine Gefährten zum Tode verurteilen und alle Völker der Erde sich erheben, Ihn zu bekämpfen. So steht im Káfí ›das Genügende‹, Sammlung aller bekannten Dikta der Imáme. Sein Verfasser war der Íráner al-Kulayní – Anm. d. Hrsg. A, in einer Tradition des Jábir Zeitgenosse des 5. Imáms, Muḥammad al-Báqir – Anm. d. Hrsg. A, in der Tafel der Fáṭimih über die Merkmale des Qá’im geschrieben: »Er wird die Vollkommenheit Mose, den Glanz Jesu und die Geduld Hiobs offenbaren. Seine Auserwählten werden an Seinem Tage erniedrigt werden. Ihre Häupter werden als Geschenke dargeboten werden wie die Häupter der Türken und der Daylamiten. Sie werden erschlagen und verbrannt werden. Furcht wird sie ergreifen, Verwirrung und Bestürzung werden ihre Herzen mit Schrecken erfüllen. Die Erde wird mit Blut gerötet sein. Ihre Frauen werden trauern und wehklagen. Wahrlich, dies sind meine Freunde!«Ḥadíth – Anm. d. Hrsg.Q Bedenke, dass nicht ein Buchstabe dieser Tradition unerfüllt geblieben ist. In den meisten Orten wurde ihr gesegnetes Blut vergossen, in allen Städten wurden sie gefangengesetzt, in den Provinzen wurden sie zur Schau gestellt, und manche von ihnen wurden verbrannt. Doch keiner hat sich besonnen und darüber nachgedacht, warum, wenn der verheißene Qá’im das Gesetz und die Gebote einer früheren Sendung hätte offenbaren sollen, solche Traditionen überliefert wurden, warum so viel Streit und Konflikt entstanden ist, dass das Volk es als seine Pflicht ansah, diese Gefährten zu erschlagen, und warum es glaubt, durch die Verfolgung dieser heiligen Seelen höchste Gunst zu erlangen.
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Sieh ferner, wie diese Geschehnisse und Untaten schon alle in früheren Traditionen erwähnt sind. So ist dies im Rawḍiy-i-Káfí über ›Zawrá’‹ verzeichnet. Im Rawḍiy-i-Káfí wird von Mu‘ávíyih, dem Sohn des Vahháb, berichtet, dass Abú-‘Abdi’lláh zu ihm gesagt habe: »Kennst du Zawrá’?« Ich sprach: »Möge mein Leben ein Opfer für dich sein! Sie sagen, es sei Baghdád.« »Nein«, antwortete er und fügte dann hinzu: »Bist du in die Stadt Rayy Alte Stadt, in deren Nähe Ṭihrán erbaut wurde. A gekommen?«, worauf ich erwiderte: »Ja, ich bin dort gewesen.« Daraufhin fragte er: »Hast du den Viehmarkt besucht?« »Ja«, gab ich zur Antwort. Er sprach: »Hast du den schwarzen Berg gesehen zur Rechten der Straße? Eben dieser ist Zawrá’. Dort werden achtzig Männer aus einem gewissen Geschlecht erschlagen werden, die alle wert sind, Khalífen genannt zu werden.« »Wer wird sie erschlagen?« fragte ich. Er gab zur Antwort: »Die Kinder Persiens.«
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Dies ist der Zustand und das Schicksal Seiner Gefährten, wie sie in früheren Tagen vorausgesagt wurden. Nun beachte, wie nach dieser Überlieferung Zawrá’ nichts anderes als das Land Rayy ist. Dort sind Seine Gefährten unter großen Leiden getötet worden; alle diese heiligen Wesen mussten ihr Martyrium aus den Händen der Perser erdulden, wie es in der Tradition verzeichnet ist. Dies hast du gehört, alle sind dessen Zeuge. Doch warum halten diese Erdenwürmer nicht inne, um über diese Traditionen nachzudenken, die doch alle so klar sind wie die Sonne in ihrer Mittagsherrlichkeit? Aus welchem Grund weigern sie sich, die Wahrheit anzunehmen, warum lassen sie sich von gewissen Traditionen, deren Bedeutung sie nicht erfasst haben, von der Erkenntnis der Offenbarung Gottes und Seiner Schönheit abhalten, so dass nun ihre Wohnstatt der Höllenschlund ist? Dies haben sie nur dem Unglauben der Geistlichen und Gelehrten dieser Zeit zuzuschreiben, von denen Ṣádiq, der Sohn Muḥammads, sagt: »Die Theologen jener Zeit werden die verruchtesten unter dem Schatten des Himmels sein. Von ihnen ist das Unheil ausgegangen, und auf sie wird es wieder zurückfallen.«Ḥadíth des Imám Ja‘far aṣ-Ṣádiq – Anm. d. Hrsg.Q
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Wir beschwören die Gelehrten des Bayán, nicht auf solche Wege zu geraten und, wenn die Zeit des Mustagháth›Er, der angerufen wird‹; der Begriff bezieht sich auf das vom Báb angekündigte Erscheinen Bahá’u’lláhs – Anm. d. Hrsg.A kommt, Ihm, dem göttlichen Wesen, dem himmlischen Licht, der absoluten Ewigkeit, dem Anfang und dem Ende der Manifestationen des Unsichtbaren, nicht anzutun, was an diesem Tage geschehen ist. Wir bitten sie, sich nicht auf ihren Verstand, ihre Fassungskraft und ihre Gelehrsamkeit zu verlassen und nicht mit dem Offenbarer himmlischen, unendlichen Wissens zu streiten. Doch bemerken Wir, dass trotz all dieser Ermahnungen ein Einäugiger als Führer des Volkes sich mit äußerster Bosheit gegen Uns erhebt. Wir sehen voraus, wie in allen Städten sich Menschen erheben, um die Gesegnete Schönheit zu unterdrücken, wie die Gefährten dieses Herrn des Seins, dieser letzten Sehnsucht aller Menschen, vor dem Angesicht des Unterdrückers fliehen und in der Wildnis Schutz vor ihm suchen, während andere sich darein ergeben und in vollkommener Loslösung ihr Leben auf Seinem Pfade opfern. Mich dünkt, Wir können einen erkennen, der im Ruf solcher Ergebenheit und Frömmigkeit steht, dass die Menschen es als ihre Pflicht ansehen, ihm zu gehorchen und sich seinem Befehl zu fügen, und der sich dennoch erheben wird, um die Axt an die Wurzel des göttlichen Baumes zu legen, der sich mit allen Kräften bemühen wird, Ihm zu widerstehen und sich Ihm zu widersetzen. So sind die Menschen!
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Wir hegen die Hoffnung, dass das Volk des Bayán erleuchtet wird, dass es sich in das Reich des Geistes aufschwingt und dort Wohnung nimmt, dass es die Wahrheit erkennt und sie mit dem Auge der Einsicht von heuchlerischer Falschheit unterscheidet. In diesen Tagen jedoch sind solche Gerüche der Eifersucht verbreitet, dass – Ich schwöre bei dem Erzieher aller Wesen, der sichtbaren und unsichtbaren – seit dem Anfang und der Erschaffung der Welt – wenngleich sie keinen Anfang hat – bis auf den heutigen Tag solche Bosheit, solcher Hass und Neid noch nie erschienen sind und auch in Zukunft nie mehr bezeugt werden. Denn einige Menschen, die nie den Duft der Gerechtigkeit einatmeten, haben das Banner des Aufruhrs gehisst und sich gegen Uns verbündet. Auf allen Seiten erkennen Wir ihre drohenden Speere, nach allen Richtungen sehen Wir ihre Pfeile fliegen, obwohl Wir Uns nie einer Sache gerühmt oder danach getrachtet haben, vor jemandem bevorzugt zu werden. Jedem waren Wir ein gütiger Gefährte, ein verzeihender, liebevoller Freund. Bei den Armen suchten Wir Gemeinschaft, bei den Gelehrten und Hochgestellten waren Wir ergeben und gelassen. Ich schwöre bei Gott, dem Wahren! So schmerzlich die Pein und die Leiden waren, welche die Hand des Feindes und das Volk des Buches Uns angetan, so schwinden sie doch völlig zu nichts dahin, verglichen mit dem, was Uns aus der Hand derer widerfuhr, die vorgeben, Unsere Freunde zu sein.
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Was sollen Wir noch weiter sagen? Das Weltall, könnte es mit dem Auge der Gerechtigkeit schauen, wäre unfähig, das Gewicht dieser Rede zu tragen! Als Wir in den ersten Tagen Unserer Ankunft hierzulande die Zeichen kommender Dinge erkannten, beschlossen Wir, Uns zurückzuziehen, ehe sie geschehen würden. Wir begaben Uns in die Wildnis und führten dort abgeschlossen und allein zwei Jahre lang ein Leben in völliger Einsamkeit. Aus Unseren Augen rannen Tränen der Qual, und in Unserem blutenden Herzen wogte ein Meer von quälender Pein. Wie oft blieben Wir abends hungrig, und wie viele Tage fanden Wir keine Ruhe! Bei Ihm, in dessen Hand Mein Sein ist! Ungeachtet dieser Fülle von Leiden und nie endender Schicksalsschläge ward Unsere Seele von wonnevoller Freude erfasst, strahlte Unser ganzes Wesen unaussprechliche Fröhlichkeit aus. Denn in Unserer Einsamkeit waren Wir entrückt vom Schaden oder Nutzen, Wohl oder Wehe irgendeiner Seele. Ganz allein verkehrten Wir mit Unserem Geist und vergaßen die Welt und alles darinnen. Wir wussten jedoch nicht, dass die Maschen der göttlichen Vorsehung feiner geknüpft sind als die Vorstellungen der Sterblichen und der Pfeil Seines Ratschlusses die kühnsten menschlichen Pläne ereilt. Niemand kann Seinen Schlingen entrinnen, keine Seele Erlösung finden außer in der Unterwerfung unter Seinen Willen. Bei der Gerechtigkeit Gottes! Zurückgezogen dachten Wir an keine Rückkehr, in Unserer Trennung lag keine Hoffnung auf Wiedervereinigung. Nur darum lebten Wir in der Einsamkeit, weil Wir nicht wollten, dass Unserethalben unter den Gläubigen und den Gefährten Zwietracht und Unruhe aufkomme, oder dass eine Seele gekränkt oder ein Herz bekümmert werde. Eine andere Absicht hatten Wir nicht. Doch jeder plant nach eigenen Wünschen und folgt dabei seinen eitlen Gedanken – bis zu der Stunde, da aus dem mystischen Quell der Ruf an Uns erging, der Uns befahl zurückzukehren, woher Wir gekommen. Wir ergaben Unseren Willen dem Seinigen und unterwarfen Uns Seinem Geheiß.
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Welche Feder kann beschreiben, was Wir bei Unserer Rückkehr gewahrten! Zwei Jahre waren vergangen, in denen Unsere Feinde unaufhörlich und hartnäckig darauf sannen, Uns zu vernichten. Dies wird von allen bezeugt. Und dennoch stand von den Gläubigen niemand auf, Uns beizustehen; niemand fühlte sich bewogen, Uns nur im Geringsten zu helfen. Sie ließen vielmehr durch Worte und Taten Schauer immer neuer Kümmernisse auf Unsere Seele regnen! Mitten in alledem stehen Wir, bereit, das Leben zu opfern, Seinem Willen völlig ergeben. Möge durch Gottes Güte und Gnade dieser offenbarte Buchstabe Sein Leben als Opfer auf dem Pfade des Ersten Punktes, des Erhabensten Wortes, darbringen. Bei Ihm, auf dessen Geheiß der Geist gesprochen hat: Wäre es nicht aus dieser Sehnsucht Unserer Seele gewesen, Wir hätten keinen Augenblick länger in dieser Stadt verweilt. »Gott genügt Uns als Zeuge.«vgl. Qur’án 10:29; 13:43; 17:96 – Anm. d. Hrsg.Q Wir schließen Unsere Ausführungen mit den Worten: »Es gibt keine Macht noch Kraft als in Gott allein.« »Wir sind Gottes, und zu Ihm werden Wir zurückkehren.«Qur’án 2:156 – Anm. d. Hrsg.Q
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Wer ein verstehendes Herz hat, wer getrunken hat vom Weine der Liebe, wer nie auch nur für einen Augenblick seinen selbstsüchtigen Wünschen gefällig war, der wird, strahlend wie die Sonne in ihrer Mittagspracht, diese Zeichen, Zeugnisse und Beweise schauen, welche die Wahrheit dieser wundersamen Offenbarung, dieses überragenden, göttlichen Glaubens bestätigen. Doch seht, wie die Menschen Gottes Schönheit verwerfen und sich ihrer Habgier hingeben. Trotz dieser vollendeten Verse und der unverkennbaren Andeutungen, die in dieser »höchst gewichtigen Offenbarung«, dem Treuhänder Gottes unter den Menschen, enthüllt wurden, und ungeachtet dieser klaren Traditionen, offenkundiger als die meisten ausführlichen Äußerungen, haben die Menschen deren Wahrheit zurückgewiesen und sich an den Buchstaben gewisser Traditionen gehalten, die so, wie sie sie verstanden, mit ihren Erwartungen nicht übereinstimmten und deren Bedeutung sie nicht zu erfassen vermochten. So haben sie jede Hoffnung zunichte gemacht und sich des reinen Weines des Allherrlichen und der klaren, unverderblichen Wasser der unsterblichen Schönheit beraubt.
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Bedenke, dass sogar das Jahr, in dem diese Quintessenz des Lichtes sich offenbaren sollte, ausdrücklich in den Traditionen verzeichnet ist – und doch achten sie ihrer nicht und lassen nicht einen Augenblick ab von ihren selbstsüchtigen Wünschen. Nach der Überlieferung fragte Mufaḍḍal den Ṣádiq: »Was ist das Zeichen Seiner Offenbarung, o Meister?« Jener gab zur Antwort: »Im Jahre sechzig wird Seine Sache offenbart und Sein Name verkündet werden.«Ḥadíth des Imám Ja‘far aṣ-Ṣádiq – Anm. d. Hrsg.Q
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Wie seltsam ist dies! Diesen ausdrücklichen, klaren Hinweisen zum Trotz hat dieses Volk die Wahrheit gemieden. So sind zum Beispiel die Kümmernisse, die Gefangenschaft und die Trübsale, die diesem Inbegriff göttlicher Tugend zugefügt wurden, in früheren Traditionen genannt. Im Biḥár steht geschrieben: »In unserem Qá’im werden vier Zeichen von vier Propheten zu sehen sein, von Mose, Jesus, Josef und Muḥammad. Das Zeichen von Mose ist Furcht und Erwartung, von Jesus, was über Ihn gesprochen wurde, von Josef, dass Er eingekerkert und totgeschwiegen wurde, von Muḥammad die Offenbarung eines Buches, ähnlich dem Qur’án.« Trotz dieser so beweiskräftigen Überlieferung, die in unverkennbarer Sprache die Geschehnisse dieses Tages vorausgeschaut hat, wurde niemand gefunden, der diese Prophezeiung beachtete, und Mich dünkt, auch in Zukunft wird niemand gefunden werden, außer dem, den dein Herr will. »Gott, wahrlich, macht hörend, wen Er will. Doch Wir werden nicht hörend machen, die in ihren Gräbern sind.«Qur’án 35:22 – Anm. d. Hrsg.Q
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Es leuchtet dir ein, dass die Vögel des Himmels, die Tauben der Ewigkeit in zweierlei Sprache reden. Die eine Sprache, die äußerliche, ist ohne Anspielungen, unverhohlen und unverschleiert, auf dass sie eine führende Lampe sei, ein Leuchtfeuer, das den Pilger zu den Höhen der Heiligkeit, den Sucher in das Reich ewiger Vereinigung gelangen lässt. So sind die genannten unverhüllten Traditionen und die klaren Verse. Die andere Sprache ist verschleiert und verhüllt, auf dass alles, was im Herzen der Übelgesinnten verborgen liegt, offenbar und ihr innerstes Wesen aufgedeckt werde. Darum hat Ṣádiq, der Sohn MuḥammadsJa‘far aṣ-Ṣádiq, der sechste Imám der Shí‘iten – Anm. d. Hrsg.A, gesprochen: »Gott, wahrlich, wird sie prüfen und sieben.«Ḥadíth des Imám Ja‘far aṣ-Ṣádiq – Anm. d. Hrsg.Q Dies ist das göttliche Maß, dies ist Gottes Prüfstein, mit dem Er Seine Diener prüft. Niemand begreift die Bedeutung dieser Worte außer denen, deren Herzen überzeugt sind, deren Seelen Gnade vor Gott gefunden haben und deren Geist von allem gelöst ist außer von Ihm. Bei solchen Worten ist die wörtliche Bedeutung, wie sie allgemein von den Menschen verstanden wird, nicht der gemeinte Sinn. Darum steht geschrieben: »Alles Wissen hat siebzig Bedeutungen, von denen nur eine den Menschen bekannt ist. Und wenn der Qá’im erstehen wird, dann wird Er den Menschen all das enthüllen, was übrigbleibt.«Ḥadíth– Anm. d. Hrsg.Q Er spricht auch: »Wir sprechen ein Wort und meinen damit einundsiebzig Bedeutungen; eine jede derselben können Wir erklären.«Ḥadíth– Anm. d. Hrsg.Q
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Wir zitieren dies nur, damit die Menschen nicht an gewissen Traditionen und Aussprüchen verzweifeln, die sich nicht wörtlich erfüllt haben, sondern ihre Verwirrung ihrem mangelnden Verständnis zuschreiben und nicht meinen, die Verheißungen der Traditionen seien noch unerfüllt. Denn wie aus diesen Traditionen selbst hervorgeht, ist die Bedeutung, welche die Imáme des Glaubens in sie gelegt haben, diesem Volke nicht bekannt. Das Volk sollte sich darum durch solche Reden nicht der göttlichen Gnadenfülle berauben lassen, sondern Aufklärung bei den anerkannten Auslegern suchen, so dass die verborgenen Mysterien enträtselt und deutlich offenbar werden.
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Doch gewahren Wir niemanden unter dem Volk, den es aufrichtig nach der Wahrheit verlangte und der in den dunklen Fragen des Glaubens die Führung der göttlichen Manifestationen suchte. Alle wohnen im Lande des Vergessens, alle gehören zum Volk der Bosheit und des Aufruhrs. Wahrlich, Gott wird ihnen antun, was sie selbst getan, und wird sie vergessen, so wie sie Seine Gegenwart an Seinem Tage vergessen haben. Dies ist Sein Ratschluss für die, welche Ihn leugnen, und so wird es denen gehen, die Seine Zeichen verwerfen.
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Wir schließen Unsere Beweisführung mit Seinen Worten – erhaben ist Er –: »Und wer sich von dem Gedenken des Barmherzigen zurückzieht, dem werden Wir einen Satan anketten, der soll sein Gefährte sein.«Qur’án 43:36.Q »Und wer sich von Meinem Gedenken abwendet, wahrlich, dem wird ein Leben im Elend bestimmt sein.«Qur’án 20:124.Q
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Also ist es in alten Zeiten offenbart worden – o würdet ihr es doch begreifen!
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Offenbart durch das ›‹ und das ›‹.die Buchstaben B und H bedeuten Bahá.A
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Friede sei mit dem, der sein Ohr der Melodie des mystischen Vogels zuneigt, der vom Sadratu’l-Muntahá aus ruft!
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