Bahá’u’lláh | Das Buch der Gewissheit
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Bahá’u’lláh
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Kitáb-i-Íqán
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Das Buch der Gewissheit
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Dies ist der Tag, da des Herrn Zeugnis erfüllt, der Tag, da Gottes Wort erschienen ist und der Beweis fest gegründet ward. Seine Stimme ruft euch zu dem, was euch nützt, und heißt euch trachten nach dem, was euch näher führt zu Gott, dem Herrn aller Offenbarung.
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Bahá’u’lláh
Vorwort
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Dies ist ein weiterer Versuch – wenn auch in unzulänglicher Sprache – der westlichen Welt ein Buch vorzustellen, das unter den Schriften des Autors der Bahá’í-Offenbarung einen beispiellosen Rang einnimmt. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass es anderen hilft, sich dem Ziel anzunähern, das für alle Zeit als unerreichbar anzusehen ist: eine angemessene Übersetzung der unvergleichlichen Äußerungen Bahá’u‘lláhs.
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Shoghi
Erster Teil
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Im Namen Unseres Herrn, des Erhabenen, des Höchsten.
1
Niemand vermag die Küsten des Meeres wahrer Erkenntnis zu erreichen, ehe er sich nicht freimacht von allem im Himmel und auf Erden. Heiligt eure Seelen, o Völker der Welt, auf dass ihr die Stufe erlangt, die Gott euch bestimmt hat, und in das HeiligtumSurádiq.A eintretet, das nach dem Walten der Vorsehung am Himmel des Bayán errichtet ward.
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Das ist der Sinn dieser Worte: Wer auf dem Pfade des Glaubens wandelt, wer nach dem Weine der Gewissheit schmachtet, muss sich läutern von allem, was irdisch ist – sein Ohr von leerem Geschwätz, sein Gemüt von eitlem Trug, sein Herz von der Liebe zur Welt, sein Auge von allem Vergänglichen. Auf Gott muss er bauen, an Ihn sich halten und auf Seinem Wege wandeln. Dann wird er würdig sein, dass ihm in ihrer Glorie die Sonne göttlicher Erkenntnis und Einsicht strahle und er zum Gefäße werde für nie geschaute, unendliche Gnaden. Denn nie darf ein Mensch hoffen, zur Erkenntnis des Allherrlichen zu gelangen, nie kann er vom Strome göttlicher Erkenntnis und Weisheit trinken, nie kann er in den Wohnsitz der Unsterblichkeit eingehen noch teilhaben am Kelche göttlicher Nähe und Gunst – es sei denn, er lasse davon ab, die Worte und Werke sterblicher Menschen zum Maßstab wahren Erfassens und Erkennens Gottes und Seiner Propheten zu nehmen.
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Schaut in die Vergangenheit! Wie viele, hoch und niedrig, haben zu allen Zeiten sehnlich auf das Erscheinen der Manifestationen Gottes in den geheiligten Gestalten Seiner Erwählten gewartet. Wie oft haben sie Seiner Ankunft geharrt, wie haben sie immer wieder darum gefleht, der Hauch göttlichen Erbarmens möge wehen, die verheißene Schönheit hinter dem Schleier der Verborgenheit hervortreten und aller Welt offenbar werden. Doch wann immer die Tore der Gnade sich öffneten, die Wolken göttlicher Freigebigkeit sich auf die Menschheit ergossen und das Licht des Ungeschauten am Horizont himmlischer Macht aufleuchtete, haben Ihn alle verleugnet und sich von Seinem Antlitz, Gottes eigenem Antlitz, abgewandt. Schlagt nach, um die Wahrheit dieser Worte zu belegen, wie sie in allen heiligen Büchern verzeichnet steht.
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Und nun denket eine Weile darüber nach, was wohl der Grund war, dass sie, die Ihn doch voll Sehnsucht und Eifer suchten, Ihn derart abwiesen? Ihre Angriffe waren heftiger als Feder oder Zunge schildern können. Nicht eine Manifestation der Heiligkeit ist erschienen, die nicht von den Menschen abgelehnt, verleugnet und heftig angefeindet worden wäre. So ist offenbart: »O welch ein Elend unter den Menschen! Kein Bote kommt zu ihnen, den sie nicht verspotteten.«Qur’án, 36:30.Q – Und wiederum spricht Er: »Ein jedes Volk verschwor sich finster gegen seinen Boten, um Ihn zu greifen, und stritt mit eitlen Worten, die Wahrheit zu entkräften.«Qur’án, 40:5.Q
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Und ähnliche Worte, die sich dem gewöhnlichen Begreifen der Menschen entziehen, sind ohne Zahl dem Quell der Macht entströmt und vom Himmel der Herrlichkeit herabgekommen. Denen, die von wahrem Verstehen und Erkennen ergriffen sind, wird die Súrih Húd Qur’án, Súrah 11 – Anm. d. Hrsg. A sicherlich genügen. Lasst ihre heiligen Worte eine Weile in eurem Herzen wirken und sucht in äußerster Loslösung ihren Sinn zu erfassen. Prüfet die wundervolle Haltung der Propheten und ruft euch die Schmähungen und Verleugnungen der Kinder der Verneinung und des Irrtums ins Gedächtnis, vielleicht, dass ihr dann den Vogel des Menschenherzens sich aufschwingen lasst von den Stätten der Achtlosigkeit und des Zweifels zum Neste des Glaubens und der Gewissheit, auf dass er tief aus den Wassern altehrwürdiger Weisheit trinke und von der Frucht des Baumes göttlicher Erkenntnis koste. Dies ist der Anteil der im Herzen Reinen an dem Brote, das aus den Reichen der Ewigkeit und Heiligkeit herabgekommen ist.
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Wenn ihr einmal all die Schmach kennenlernt, die auf die Propheten Gottes geladen wurde, wenn ihr die wahren Gründe all der Einwände begreift, die ihre Unterdrücker gegen sie vorbrachten, dann werdet ihr wahrlich die Bedeutung ihrer Lage richtig würdigen. Und je genauer ihr die Ablehnung derer untersucht, die sich den Offenbarern göttlicher Attribute widersetzt haben, desto fester wird euer Glaube an die Sache Gottes werden. Darum soll in dieser Schrift kurz auf die verschiedenen Berichte über die Propheten Gottes eingegangen werden, damit sie Zeugnis ablegen für die Wahrheit, dass die Offenbarer der Macht und Herrlichkeit zu allen Zeiten so schändlichen Grausamkeiten unterworfen waren, dass keine Feder dies zu schildern wagt. Vielleicht, dass dadurch manch einer fähig werde, sich nicht mehr vom Geschrei und Protest der Geistlichen und Toren unserer Tage verwirren zu lassen, sondern zu erstarken an Zuversicht und Gewissheit.
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Einer der Propheten war Noah. Neunhundertfünfzig Jahre lang ermahnte Er inständig Sein Volk und rief es herbei zum Hafen der Geborgenheit und des Friedens, doch keiner achtete Seines Rufes. Tag um Tag brachten sie so viel Schmerz und Leid über diesen heiligen Mann, dass keiner dachte, Er könne dies überleben. Wie oft wiesen sie Ihn zurück, wie böswillig gaben sie ihren Argwohn gegen Ihn zu erkennen! So ist offenbart: »Und sooft eine Schar Seines Volkes an Ihm vorüberging, verlachten sie Ihn. Er aber sprach zu ihnen: ›Spottet ihr Uns, so werden Wir über euch spotten, so, wie ihr jetzt spottet. Und wahrlich, dann werdet ihr wissen.‹«Qur’án, 11:38.Q Lange danach verhieß Er mehrfach Seinen Gefährten den Sieg und nannte auch die Stunde. Doch als die Stunde schlug, ging die göttliche Verheißung nicht in Erfüllung. Deshalb wurden einige Seiner wenigen Jünger abtrünnig, wie es die Berichte wohlbekannter Bücher bezeugen, die ihr sicherlich gelesen habt oder noch lesen werdet. Schließlich, so berichten uns die Bücher und Überlieferungen, blieben nur noch vierzig oder zweiundsiebzig Jünger bei Ihm. Da brach Er aus den Tiefen Seines Herzens in den Schrei aus: »Mein Herr, lasse keinen der Ungläubigen auf Erden!«Qur’án, 71:26.Q
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Nun seht den Eigensinn dieses Volkes und denkt eine Weile darüber nach! Was hat sie wohl veranlasst, Ihn zu verwerfen und zu meiden? Was ließ sie sich sträuben, das Gewand der Leugnung abzuwerfen und sich mit dem Kleide der Annahme zu schmücken? Was war überdies der Grund, dass sich die göttliche Verheißung nicht erfüllt hatte, so dass die Suchenden wieder verwarfen, was sie bereits angenommen hatten? Meditiert darüber, damit das Geheimnis unsichtbarer Dinge euch enthüllt werde und ihr die Süße geistiger Düfte atmet und die Wahrheit erkennet, dass der Allmächtige seit unvordenklichen Zeiten und bis in alle Ewigkeit Seine Diener prüft, auf dass sich Licht von Finsternis scheide, Wahrheit von Trug, Recht von Unrecht, Führung von Irrtum, Glück von Elend und Rosen von Dornen. Denn also hat Er offenbart: »Wähnen die Menschen denn, sie würden in Ruhe gelassen, nur weil sie sagen: Wir glauben – und sie würden nicht auf die Probe gestellt?«Qur’án, 29:2.Q
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Nach Noah erstrahlte die Sonne Húds über dem Horizonte der Schöpfung. Wohl an die siebenhundert Jahre, so sagt man, ermahnte Er das Volk, aufzublicken und sich dem Riḍván der göttlichen Gegenwart zu nähern. Wie viele Trübsale ergossen sich auf Ihn wie Regenschauer, Seine Beschwörungen führten am Ende zu einer noch heftigeren Empörung, so dass die Frucht Seines ausdauernden Bemühens nur die eigensinnige Verblendung Seines Volkes war. »Und der Unglaube der Ungläubigen vermehrt nur ihr Verderben.«Qur’án, 35:39.Q
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Nach Ihm erschien aus dem Riḍván des Ewigen, des Unsichtbaren, die heilige Gestalt des Ṣáliḥvgl. Qur’án, 11:64f – Anm. d. Hrsg.A, der wiederum das Volk zum Strom unvergänglichen Lebens rief. Mehr als hundert Jahre mahnte Er, sich fest an Gottes Gebote zu halten und zu unterlassen, was verboten ist. Doch Seine Ermahnungen blieben fruchtlos, Seine inständigen Warnungen ohne Erfolg. Mehrmals zog Er sich in die Einsamkeit zurück. Und doch hat diese Ewige Schönheit das Volk zu nichts anderem gerufen als zur Stadt Gottes. So ist offenbart: »Und dem Stamme Thamúd sandten Wir ihren Bruder Ṣáliḥ. ›O mein Volk‹, sprach Er, ›bete Gott an, denn du hast keinen Gott außer Ihm …‹ Sie entgegneten: ›O Ṣáliḥ, du warst einst das Ziel unserer Hoffnungen. Willst du uns nun verbieten, das anzubeten, was unsere Väter angebetet haben? Wahrlich, gar bedenkliche Zweifel hegen wir gegen das, wozu du uns rufst.‹«Qur’án, 11:61–62.Q Alles war umsonst. Am Ende aber erhob sich großes Wehgeschrei, und alle gingen zugrunde.
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Später trat die Schönheit des Gottesfreundes Abraham A hinter dem Schleier hervor, und ein neues Banner göttlicher Führung ward aufgepflanzt. Er rief das Volk der Erde zum Lichte der Gerechtigkeit. Je inständiger Er die Menschen ermahnte, desto grimmiger wurden ihr Neid und Eigensinn – ausgenommen jene, die, von allem außer Gott losgelöst, sich auf den Schwingen der Gewissheit zu der Stufe erhoben, die Gott über alles menschliche Begreifen erhöht hat. Wohlbekannt ist, welche Schar von Feinden Ihn bedrängte, bis schließlich das Feuer des Neids und des Aufruhrs gegen Ihn aufflammte. Und nachdem sich die Geschichte vom Feuer zugetragen hatte, da ward Er, das Licht Gottes unter den Menschen, aus Seiner Stadt vertrieben, wie in allen Büchern und Berichten verzeichnet ist.
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Als Sein Tag zu Ende ging, kam die Zeit des Mose. Ausgerüstet mit dem Stab himmlischer Herrschaft, geschmückt mit der weißen Hand göttlicher Erkenntnis, kam Er vom Párán der Liebe Gottes hernieder. Wie ein Zepter die Schlange der Macht und ewigen Hoheit tragend, strahlte Er vom Sinai des Lichtes herab auf die Welt. Er rief alle Völker und Geschlechter der Erde zum Reiche der Ewigkeit und lud sie ein, die Frucht vom Baume der Treue zu kosten. Du weißt wohl, wie bitterfeind der Pharao und sein Volk Ihm begegneten und wie die Hände der Heiden Steine eitlen Trugs gegen diesen gesegneten Baum schleuderten. Schließlich erhob sich der Pharao mit seinem Volk und mühte sich aufs äußerste, das Feuer des heiligen Baumes mit den Wassern der Falschheit und Verleugnung zu löschen, denn sie achteten nicht der Wahrheit, dass irdisches Wasser die Flamme göttlicher Weisheit nicht ersticken und sterbliche Winde die Lampe ewiger Herrschaft nicht ausblasen können. Nein, solches Wasser kann die Flamme nur noch mehr entfachen, und solche Windstöße können den Schutz der Lampe nur noch festigen, würdet ihr doch mit dem Auge der Einsicht schauen und auf dem Pfade von Gottes heiligem Willen und Wohlgefallen wandeln. Wie gut hat das ein Gläubiger aus dem Hause des Pharao beobachtet, dessen Geschichte von dem Allherrlichen in Seinem Buch erzählt wird, das Er Seinem Geliebten offenbart hat: »Und ein Mann aus der Familie des Pharao, ein Gläubiger, der seinen Glauben verbarg, sprach: ›Wollt ihr einen Mann erschlagen, nur weil er spricht: Mein Herr ist Gott – einen Mann, der doch zu euch gekommen ist mit Zeichen von eurem Herrn? Ist er ein Lügner, so wird seine Lüge auf ihn zurückfallen, spricht er aber wahr, so wird ein Teil seiner Drohungen über euch kommen. Denn wahrlich, Gott ist nicht mit den Missetätern und Lügnern!‹«Qur’án, 40:28.Q Doch ihre Ungerechtigkeit war zuletzt so groß, dass sie eben diesem Gläubigen einen qualvollen Tod bereiteten. »Der Fluch Gottes sei auf dem Volke der Unterdrücker!«Qur’án, 11:18, [7:44].Q
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Denkt nun über diese Geschehnisse nach! Was war wohl die Ursache dieses Streites? Warum musste das Erscheinen einer jeden Manifestation Gottes von so viel Kampf und Lärm, von so viel Gewalt und Aufruhr begleitet sein? Und dabei haben doch alle Propheten Gottes, wann immer sie sich den Menschen dieser Welt offenbarten, einen weiteren Propheten nach ihnen vorausgesagt und die Zeichen festgesetzt, welche den Beginn einer neuen Sendung verkünden sollten. Dies bezeugen die Berichte aller heiligen Bücher. Warum kam es, obwohl die Menschen die Manifestation der Heiligkeit erwarteten und suchten, obwohl deren Zeichen in den heiligen Schriften vermerkt waren, in allen Zeitaltern und Zyklen zu solchen Gewalttaten, zu einer so grausamen Unterdrückung der Propheten und Erwählten Gottes? So hat Er offenbart: »Sooft ein Bote zu euch kommt mit dem, was euren Seelen zuwider ist, seid ihr in Hoffart aufgebläht; die einen habt ihr des Betrugs geziehen, die anderen gar erschlagen.«Qur’án, 2:87.Q
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Überlegt: Was mögen ihre Motive gewesen sein, was konnte sie zu einem solchen Verhalten gegenüber den Offenbarern der Schönheit des Allherrlichen bewogen haben? Führt doch alles, was in vergangenen Tagen die Ablehnung und den Widerstand der Menschen verursachte, auch zur Verstocktheit der Menschen von heute. Zu behaupten, das Zeugnis der Vorsehung sei unvollständig und dies habe zur Ablehnung geführt, wäre offene Gotteslästerung. Wie fern liegt es der Gnade des Allgütigen, wie fern Seiner liebevollen Vorsehung und Seiner milden Barmherzigkeit, unter allen Menschen eine Seele zur Führung Seiner Geschöpfe zu erwählen, ihr einerseits das volle Maß Seines göttlichen Zeugnisses zu versagen, andererseits über Sein Menschenvolk schwere Vergeltung zu verhängen, weil es sich von Seinem Erwählten abwendet! Nein, die vielfachen Gnadengaben des Herrn aller Geschöpfe haben allezeit durch die Manifestationen Seines göttlichen Wesens die Erde und alle, die auf ihr wohnen, umfangen. Nicht einen Augenblick hat sich Seine Gnade versagt, noch haben die Schauer Seiner Güte aufgehört, auf die Menschheit niederzuregnen. Folglich ist ein solches Verhalten nichts anderem zuzuschreiben als der Kleingeistigkeit der Seelen, die durch das Tal der Anmaßung und der Hoffart schreiten, in der Wildnis der Gottferne umherirren, auf den Wegen ihres eitlen Wahns wandeln und den Befehlen ihrer Geistlichen folgen. Es geht ihnen vor allem um Widerspruch, und ihr einziges Begehren ist, der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen. Jedem Einsichtigen ist es offenbar: Hätten diese Menschen in den Tagen früherer Manifestationen der Sonne der Wahrheit ihre Augen, Ohren und Herzen von allem, was sie zuvor sahen, hörten und fühlten, geheiligt, so wären sie sicherlich weder des Anblicks der Schönheit Gottes beraubt worden noch so weit von den Stätten der Herrlichkeit abgeirrt. Doch weil sie dem Zeugnis Gottes das Maß ihres eigenen Wissens anlegten, das sie aus den Lehren ihrer Geistlichkeit aufgelesen hatten, und fanden, dass es ihrem beschränkten Verständnis widersprach, ließen sie sich zu solchen Untaten hinreißen.
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Zu allen Zeiten hat die Geistlichkeit ihr Volk daran gehindert, die Küsten des Meeres ewigen Heils zu erreichen, denn sie hält die Zügel der Autorität über die Menschen in ihrem mächtigen Griff. Einige wurden aus Verlangen nach Führerschaft, andere aus Mangel an Erkenntnis und Verständnis zur Ursache der Unmündigkeit des Volkes. Mit ihrer Zustimmung und unter ihrer Amtsgewalt mussten alle Propheten Gottes vom Kelche des Opfers trinken und ihren Flug zu den Höhen der Herrlichkeit nehmen. Wie schlimm sind die Grausamkeiten, mit denen jene, die auf den Stühlen der Autorität und Gelehrsamkeit saßen, die wahren Könige der Welt, die Edelsteine göttlicher Tugend, heimgesucht haben! Mit vergänglicher Herrschaft zufrieden, haben sie sich der ewigen Herrschaft beraubt. So haben ihre Augen nicht das Licht vom Antlitz des Vielgeliebten geschaut, noch ihre Ohren den süßen Weisen der Nachtigall der Sehnsucht gelauscht. Darum sprechen alle heiligen Schriften von den Geistlichen der jeweiligen Zeit. So spricht Er: »O Volk des Buches! Warum glaubt ihr nicht den Zeichen Gottes, deren ihr doch selbst Zeuge wart?«Qur’án, 3:70.Q Und wiederum spricht Er: »O Volk des Buches! Warum kleidet ihr die Wahrheit in Lüge und verbergt die Wahrheit wider besseres Wissen?«Qur’án, 3:71.Q Und abermals spricht Er: »Sprecht, o Volk des Buches, warum treibt ihr die Gläubigen vom Pfade Gottes?«Qur’án 3:99.Q Es ist offenbar, dass mit dem »Volk des Buches«, das seine Zeitgenossen von Gottes geradem Pfad zurückgetrieben hat, niemand anderes als die Geistlichkeit jener Zeit gemeint ist, deren Namen und Wesensart in den heiligen Büchern enthüllt sind; auf sie wird in den darin verzeichneten Versen und Überlieferungen angespielt – o würdet ihr doch mit dem Auge Gottes schauen!
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So prüfet denn mit festem, standhaftem, dem unbeirrbaren Auge Gottes entsprungenem Blick den Horizont göttlichen Wissens und sinnet über diese vollkommenen Worte nach, die der Ewige offenbart hat, damit euch die Geheimnisse göttlicher Weisheit, die bis heute hinter dem Schleier der Herrlichkeit verborgen und im HeiligtumSurádiq – Anm. d. Hrsg.A Seiner Gnade verschlossen sind, offenbar werden. Die Geistlichen haben die neue Offenbarung hauptsächlich deshalb abgelehnt und sich ihr entgegengestellt, weil es ihnen an Erkenntnis und Verständnis gebrach. Sie haben jene Worte aus dem Munde der Offenbarer der Schönheit des einen wahren Gottes, welche die Zeichen der künftigen Manifestation nannten, weder verstanden noch zu ergründen versucht. Darum erhoben sie das Banner der Empörung und entfachten Unheil und Aufruhr. Es leuchtet ein, dass die wahre Bedeutung dessen, was die Tauben der Ewigkeit kündeten, allen verhüllt bleibt, außer denen, die das ewige Wesen offenbaren, und dass die Melodien der Nachtigall der Heiligkeit kein anderes Ohr erreichen als das der Bewohner des unvergänglichen Reiches. Der gewalttätige Kopte kann niemals von dem Kelche trinken, den die Lippen des gerechten Juden berührt haben, und der Pharao des Unglaubens kann niemals hoffen, die Hand des Mose der Wahrheit zu erkennen. So spricht Er: »Niemand kennt seine Bedeutung außer Gott und jenen, welche im Wissen fest gegründet sind.«Qur’án 3:7. Q Aber dennoch haben sie die Auslegung des Buches bei denen gesucht, die in Schleiern verhüllt sind, und es verschmäht, die Belehrung beim Urquell des Wissens zu finden.
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Als die Tage Mose zu Ende gingen und das Licht Jesu, aus der Morgendämmerung des Geistes aufleuchtend, die Welt umfing, stand das ganze Volk Israel wider Ihn auf. Sie schrien, dass der, den die Bibel verheißt, das Gesetz Mose verbreiten und erfüllen müsse, während dieser junge Nazarener, der sich die Stufe des göttlichen Messias anmaße, die Gesetze der Ehescheidung und des Sabbats, die wichtigsten Gesetze Mose, abgeschafft habe. Wie stehe es außerdem um die Zeichen der Manifestation, die noch erscheinen soll? Das Volk Israel harrt bis auf den heutigen Tag der in der Bibel verheißenen Manifestation. Wie viele Manifestationen der Heiligkeit, wie viele Offenbarer des ewigen Lichtes sind seit Mose Zeiten schon erschienen, und doch erwartet Israel, in dichteste Schleier satanischen Trugs und eitlen Wahns gehüllt, dass das Idol, das es selbst geschaffen, mit Zeichen erscheine, die es selbst ersonnen. So hat Gott um ihrer Sünden willen Hand an die Juden gelegt, so hat Er den Geist des Glaubens in ihnen ausgelöscht und sie mit den Flammen der Höllentiefe gepeinigt, weil sie den Sinn der Verse nicht verstehen wollten, die über die Zeichen der künftigen Offenbarung in der Bibel enthüllt sind. Da sie deren wahre Bedeutung nicht erfassten und jene Ereignisse, äußerlich gesehen, nie eingetroffen sind, blieb es ihnen versagt, die Schönheit Jesu zu erkennen und das Antlitz Gottes zu schauen. Noch immer harren sie Seines Erscheinens! Seit unvordenklicher Zeit bis zum heutigen Tag haben die Völker auf Erden solchen wunderlichen, unziemlichen Gedanken nachgehangen und sich damit selbst der klaren Wasser beraubt, die den Quellen der Reinheit und Heiligkeit entströmen.
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Diese Geheimnisse enthüllend, haben Wir in Unseren früheren, an einen Freund in der wohlklingenden Sprache des Ḥijáz gerichteten Schriften einige Verse der alten Propheten angeführt. Nun wollen Wir, deiner Bitte entsprechend, auf diesen Seiten nochmals die gleichen Verse anführen, diesmal in der wundervollen Sprache des ʿIráqgemeint ist hier Persisch – Anm. d. Hrsg.A, dass so die Schmachtenden aus der Wildnis der Gottferne zum Meere der göttlichen Gegenwart gelangen und die in den Wüsten der Trennung Darbenden zu der Heimstatt ewiger Wiedervereinigung geleitet werden. So mögen die Nebel des Irrtums zerstreut werden und das alles erhellende Licht göttlicher Führung über dem Horizonte der Menschenherzen aufdämmern. Auf Gott setzen Wir Unser Vertrauen, Ihn rufen Wir um Hilfe an, dass vielleicht dieser Feder entströme, was die Menschenseelen belebt, auf dass sie sich alle von den Lagern der Achtlosigkeit erheben und dem Blättersäuseln des Paradieses lauschen, in dem Baume, den die Hand göttlicher Macht mit Gottes Erlaubnis im Riḍván des Allherrlichen gepflanzt hat.
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Wem Einsicht gegeben, der weiß, dass zu der Zeit, da das Feuer der Liebe Jesu die Schleier jüdischer Enge verzehrt hatte und Seine Machtvollkommenheit sichtbar und allmählich anerkannt wurde, Er, der Offenbarer der unsichtbaren Schönheit, an Seine Jünger gewandt, auf Sein Scheiden hinwies, in ihren Herzen das Feuer der Verwaisung entfachte und sprach: »Ich gehe von hinnen und komme wieder zu euch.«Joh. 14:28 – Anm. d. Hrsg.Q Und an anderer Stelle sprach Er: »Ich gehe hin und ein anderer wird kommen, der wird euch alles lehren, was Ich euch nicht gesagt habe, und alles erfüllen, was Ich euch gesagt habe.«vgl. Joh. 14:26, 16:13 – Anm. d. Hrsg.Q Diese beiden Verse haben nur eine Bedeutung, wolltet ihr doch mit göttlicher Einsicht über die Manifestationen der Einheit Gottes nachdenken!
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Wer dies mit Verständnis betrachtet, wird erkennen, dass in der Sendung des Qur’án sowohl das Buch als auch die heilige Sache Jesu bestätigt wurden. Was die Namen anbelangt, so erklärt Muḥammad selbst: »Ich bin Jesus.« Er anerkannte die Wahrheit der Zeichen, Prophezeiungen und Worte Jesu und bezeugte, dass sie alle von Gott sind. In diesem Sinne haben sich weder die Gestalt Jesu noch Seine Schrift von der Muḥammads und Seinem heiligen Buche unterschieden, denn beide sind für die Sache Gottes eingetreten, haben Sein Lob verkündet und Seine Gebote offenbart. Darum hat Jesus gesprochen: »Ich gehe hin und komme wieder zu euch.«vgl. Joh. 14:28 – Anm. d. Hrsg.Q Betrachtet die Sonne! Wenn sie sagte: »Ich bin die Sonne von gestern«, so spräche sie die Wahrheit. Und sollte sie im Hinblick auf den Zeitablauf behaupten, sie sei eine andere als jene Sonne, so spräche sie gleichwohl die Wahrheit. Ebenso wahr ist es, wenn gesagt wird, alle Tage seien ein und derselbe. Und wenn im Hinblick auf ihre besonderen Namen und Bezeichnungen gesagt wird, sie seien verschieden, so ist dies wiederum wahr, denn wenn sie auch die gleichen sind, so lässt sich doch an jedem eine andere Bezeichnung, eine besondere Eigenschaft, ein eigener Wesenszug erkennen. Begreife nun dementsprechend die Individualität, die Verschiedenheit und die Einheit der Manifestationen der Heiligkeit, damit du die Andeutungen verstehst, die der Schöpfer aller Namen und Attribute über diese Mysterien der Verschiedenheit und Einheit machte, und entdecke die Antwort auf deine Frage, warum jene ewige Schönheit sich zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Namen und Titeln bezeichnet hat.
21
Später fragten die Gefährten und Jünger Jesu nach den Zeichen, welche die Wiederkunft Seiner Manifestation ankündigen würden. Wann, so forschten sie, werden diese Dinge geschehen? Mehrmals fragten sie diese unvergleichliche Schönheit, und jedes Mal, wenn Er antwortete, wies Er auf ein besonderes Zeichen hin, welches den Anbruch der verheißenen Sendung ankündigen sollte. Dies bezeugen die Berichte der vier Evangelien.
22
Dieser Unterdrückte will nur eine dieser Stellen anführen und damit der Menschheit aus Liebe zu Gott Gnadengaben vermitteln, die noch bei den Schätzen des verborgenen und geheiligten Baumes verwahrt sind, auf dass die Sterblichen nicht ihres Anteils an der unsterblichen Frucht beraubt bleiben, sondern einen Tautropfen von den Wassern ewigen Lebens erlangen, die sich von Baghdád, der »Stätte des Friedens«vgl. Qur’án 6:127, 10:25 – Anm. d. Hrsg..A, über die Menschheit ergießen. Wir verlangen weder Preis noch Lohn dafür: »Wir nähren eure Seelen um Gottes willen. Wir suchen weder Lohn noch Dank von euch.«Qur’án 76:9.Q Dies ist die Speise, die den im Herzen Reinen und im Geist Erleuchteten ewiges Leben bringt. Dies ist das Manna, von dem gesagt ist: »Herr, sende Dein Brot vom Himmel auf uns herab.«Qur’án 5:117; [vgl. auch Joh. 6:32–35, 41, 50, 58 – Anm. d. Hrsg.].Q Dieses Brot wird denen, die es verdient haben, niemals vorenthalten, noch kann es jemals aufgezehrt werden. Es wächst ewiglich am Baume der Gnade. Es kommt zu allen Zeiten aus den Himmeln der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. So spricht Er: »Siehest du nicht, womit Gott ein gutes Wort verglichen hat? Mit einem guten Baum, dessen Wurzeln fest gewachsen sind, dessen Zweige zum Himmel reichen, der Früchte bringt zu allen Zeiten.«Qur’án 14:24–25.Q
23
Wie schade, wenn der Mensch sich selbst dieser schönen Gnade beraubt, dieses unvergänglichen Gnadengeschenkes, des ewigen Lebens. Er sollte diese Himmelsspeise hoch achten, damit vielleicht durch die wundersame Gunst der Sonne der Wahrheit die Toten ins Leben gerufen und die erschöpften Seelen durch den unendlichen Geist erquickt werden. Beeile dich, o mein Bruder, auf dass unsere Lippen, solange es noch Zeit ist, den unsterblichen Trank kosten; denn nicht ewig wird der Hauch des Lebens aus der Stadt des Vielgeliebten wehen, nicht ewig fließen die Ströme der heiligen Sprache, und nicht ewig werden die Tore des Riḍváns offenstehen. Einst wird kommen der Tag, da die Nachtigall des Paradieses ihren Flug von ihrer Wohnstatt hienieden zum göttlichen Neste nehmen wird. Dann wird ihr Gesang nicht mehr vernommen werden, und die Schönheit der Rose wird nicht mehr leuchten. Darum nütze die Stunde, solange der göttliche Frühling noch seine Pracht verschwendet und die Taube der Unsterblichkeit ihre Melodien jubelt, damit dein inneres Ohr nicht vom Lauschen auf ihren Ruf abgehalten werde. Dies ist Mein Rat für dich und die Geliebten Gottes. Wer will, der mag sich ihm zuwenden; wer will, der mag sich abwenden. Gott wahrlich, ist unabhängig von ihm und allem, was er sehen und bezeugen mag.
24
Dies sind die Weisen, die Jesus, der Sohn Marias, in majestätisch kraftvollen Klängen im Riḍván des Evangeliums anstimmte, die Zeichen enthüllend, welche die Manifestation nach Ihm ankündigen. Im Evangelium des Matthäus steht geschrieben: Als sie Jesus nach den Zeichen Seiner Wiederkunft fragten, sprach Er zu ihnen: »Bald aber nach der Trübsaldas griechische Wort (Thlipsis) hat zwei Bedeutungen: ›Druck‹ und ›Bedrängnis‹.A derselben Zeit werden Sonne und Mond den Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen. Und alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel. Und alsdann werden heulen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und Er wird senden Seine Engel mit hellen Posaunen.«Mt. 24:29–31.Q Ins Persische übertragendie Stelle wird von Bahá’u’lláh in Arabisch zitiert und auf Persisch erklärt.A ist der Sinn dieser Worte folgender: Wenn die Drangsal und Trübsal, die der Menschheit widerfahren müssen, eintreffen, dann werden sich der Glanz der Sonne und das Licht des Mondes verfinstern, und die Sterne des Himmels werden auf die Erde fallen, und die Grundpfeiler der Erde werden erbeben. Zu jener Zeit werden die Zeichen des Menschensohnes am Himmel offenbar werden, das heißt, die verheißene Schönheit, der Wesenskern allen Lebens, wird nach dem Erscheinen dieser Zeichen aus dem Reiche des Unsichtbaren in die Welt des Sichtbaren treten. Und Er spricht: Alsdann werden alle Völker und Geschlechter, die auf Erden wohnen, wehklagen und jammern, und sie werden die göttliche Schönheit vom Himmel kommen sehen, auf den Wolken schwebend mit Macht, Größe und Herrlichkeit, und Er wird Seine Engel senden mit starkem Posaunenschall. Ähnliche Hinweise finden sich in den Evangelien von Lukas, Markus und Johannes. Da Wir ausführlich darauf in Unseren arabisch offenbarten Schriften eingegangen sind, haben Wir sie auf diesen Seiten nicht besonders erwähnt und Uns auf ein Zitat beschränkt.
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Weil die christlichen Geistlichen die Bedeutung dieser Worte nicht erfassten und ihren Zweck nicht erkannten, sich vielmehr an eine buchstäbliche Auslegung der Worte Jesu hielten, wurden sie des Gnadenstromes der Offenbarung Muḥammads und der Regenschauer ihrer Gnade beraubt. Damit war auch den Unwissenden in der christlichen Gemeinde, die ihren Geistlichen folgten, der Anblick der Schönheit des Königs der Herrlichkeit versagt, da jene Zeichen, die das Aufdämmern der Sonne der Sendung Muḥammads begleiten sollten, tatsächlich nicht eintrafen. So sind wiederum Jahrhunderte vergangen, und jener reinste Geist hat sich in die Stätten Seiner altehrwürdigen Herrschaft zurückgezogen. Aufs Neue hat nun der ewige Geist in die göttliche Posaune gestoßen und die Toten aus ihren Gräbern der Achtlosigkeit und des Irrtums hervoreilen lassen zum Reiche der Führung und Gnade. Doch immer noch ruft die wartende Gemeinde: Wann werden diese Zeichen geschehen? Wann wird die Gestalt des Verheißenen, das Ziel unseres Harrens, offenbar werden, damit wir uns für den Triumph Seiner heiligen Sache erheben, damit wir unser Hab und Gut für Ihn opfern, damit wir unser Leben auf Seinem Pfade hingeben können? Falsche Vorstellungen wie diese ließen auch andere Gemeinden vom Kawthar der unendlich barmherzigen Vorsehung abirren und sich in müßigen Gedanken verlieren.
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Neben dieser Stelle gibt es im Evangelium noch einen Vers, wo Er sagt: »Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen.«Lk. 21:33; [Bahá’u’lláh schließt an diesen arabisch zitierten Text noch die wörtliche Übersetzung in das Persische an. Dies wird in der deutschen wie in der englischen Übersetzung weggelassen – Anm. d. Hrsg.].Q Darum verfechten die Christen die Auffassung, das Gesetz des Evangeliums werde niemals aufgehoben, und wenn die verheißene Schönheit mit allen Zeichen offenbar werde, müsse Er auch das im Evangelium verkündete Gesetz bestätigen, so dass es in der Welt keinen Glauben mehr gebe als den Seinen. Dies ist ihre unumstößliche Meinung. Sie sind zutiefst davon überzeugt, dass, wenn ein Mensch erschiene mit allen verheißenen Zeichen und verkündete, was dem Buchstaben des Gesetzes im Evangelium entgegenstünde, sie ihn sicherlich abwiesen, sich seinem Gesetz nicht unterwürfen, ihn für ungläubig erklärten und verspotteten. Dies bestätigen die Geschehnisse der Zeit, da die Sonne der Offenbarung Muḥammads sich enthüllte. Hätten sie in den vergangenen Sendungen bei den Manifestationen Gottes demütigen Sinnes nach dem wahren Sinn der in den heiligen Büchern offenbarten Verse gesucht – Worte, deren Missverständnis den Menschen das Erkennen des Sadratu’l-Muntahá, des letzten Zieles, verschloss – so wären sie sicherlich zum Lichte der Sonne der Wahrheit geleitet worden und hätten die Mysterien göttlicher Erkenntnis und Weisheit entdeckt.
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Dieser Diener will dir nun einen Tropfen aus dem unermesslichen Meer der Wahrheiten vermitteln, die in diesen heiligen Worten verwahrt sind. Vielleicht, dass einsichtsvolle Herzen alle Andeutungen und den tieferen Sinn der Verse der Manifestationen der Heiligkeit erfassen, so dass die überwältigende Majestät des Wortes Gottes sie nicht abhalte, das Meer Seiner Namen und Zeichen zu erreichen, noch sie der Erkenntnis des Lichtes Gottes beraube, das der Sitz der Offenbarung Seines verherrlichten Wesens ist.
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Was nun die Worte betrifft: »Bald aber nach der Trübsal derselben Zeit«Mt. 24:29 – Anm. d. Hrsg.Q – so beziehen sie sich auf die Zeit, da die Menschen bedrängt und gepeinigt werden, die Zeit, da die letzten Spuren der Sonne der Wahrheit und die Früchte des Baumes der Erkenntnis und Weisheit aus der Mitte der Menschen entschwunden und die Zügel der Menschheit in die Hände von Narren und Unwissenden geraten sein werden, da die Tore zur göttlichen Einheit und Erkenntnis – der Schöpfung wesentlichstes und höchstes Ziel – verschlossen sind, das klare Wissen von eitlem Wahn verdrängt ist und Verderbtheit sich den Platz der Rechtschaffenheit angemaßt hat. Ein solcher Zustand ist heute zu erkennen, da in allen Gemeinden die Zügel in die Hände törichter Führer geraten sind, die nach ihren Launen und Wünschen führen. Auf ihrer Zunge ist das Gedenken Gottes ein leerer Name geworden, in ihrer Mitte Sein heiliges Wort ein toter Buchstabe. So heftig rast der Sturm ihrer Begierden, dass die Lampe des Gewissens und der Vernunft in ihren Herzen verlöscht ist. Dabei haben die Finger göttlicher Macht die Tore der Erkenntnis Gottes aufgetan. Das Licht göttlicher Erkenntnis und himmlischer Gnade hat alles Erschaffene so in seinem Wesenskern erleuchtet und erweckt, dass in jedem Ding sich ein Tor der Erkenntnis auftat und in jedem Atom Zeichen der Sonne sichtbar wurden. Und doch, ungeachtet all der mannigfachen Offenbarungen göttlicher Erkenntnis, die die Welt umfangen, leben sie immer noch im eitlen Wahn, die Pforte der Erkenntnis sei verschlossen und die Regenschauer der Barmherzigkeit seien versiegt. Sie hängen sich an leeren Trug und sind weit abgeirrt vom ʿUrvatu’l-Vuth ›der sichere Griff‹, vgl. Qur’án 2:257; 31:22 – Anm. d. Hrsg. A göttlicher Erkenntnis. Es scheint, dass ihre Herzen sich weder nach dem Tor der Erkenntnis sehnen noch an ihre Offenbarungen denken, da sie in leerem Wahn das Tor gefunden haben, das zu irdischem Reichtum führt, wogegen sie in dem Erscheinen des Offenbarers des Wissens nichts fanden als den Ruf zur Selbstaufopferung. Darum sind sie vor dem einen geflohen und haben sich, ihrer Natur folgend, an das andere gehalten. Obgleich sie im Innersten wissen, dass Gottes Gesetz seinem Wesen nach unveränderlich ist, hört man sie alle Tage aus allen Ecken neue Gesetze erlassen. Nicht zwei von ihnen sind zu finden, die sich über ein und dasselbe Gesetz einig wären, denn sie suchen keinen Gott außer ihrem eigenen Begehren und wandeln auf keinem Pfad als auf dem Pfade des Irrtums. Führer zu sein ist das letzte Ziel ihres Strebens, und in Stolz und Hochmut sehen sie die höchste Erfüllung ihres Herzenswunsches. Ihre schmutzigen Ränke haben sie über den göttlichen Ratschluss gestellt und die Ergebung in Gottes Willen aufgekündigt. Selbstsüchtigen Plänen gewidmet, sind sie den Weg des Heuchlers gegangen. Mit aller Macht sind sie bestrebt, sich durch ihre kleinlichen Schliche abzusichern, ängstlich darauf bedacht, dass nicht das geringste Misstrauen ihre Autorität untergrabe oder ihr großartiges Gehabe störe. Wäre das Auge mit dem Balsam der Gotteserkenntnis gesalbt und erleuchtet, so würde es sicherlich entdecken, dass sich ein Rudel gefräßiger Bestien zusammengeschart hat, um sich am Aas der Menschenseelen zu laben.
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Welche »Trübsal« ist größer als die geschilderte? Welche »Trübsal« ist schmerzlicher als die, dass eine nach Wahrheit suchende, sich nach Gotteserkenntnis sehnende Seele nicht weiß, wohin sie sich wenden und wo sie suchen soll? Denn die Meinungen sind weit auseinandergegangen, und die Wege zu Gott hin haben sich vervielfacht. Diese »Trübsal« ist der eigentliche Wesenszug jeder Offenbarung; denn ohne sie würde die Sonne der Wahrheit nicht offenbar werden. Die Morgendämmerung göttlicher Führung muss der finsteren Nacht des Irrtums folgen. Darum finden sich in allen Chroniken und Überlieferungen Hinweise darauf, dass Unrecht das Antlitz der Erde bedecken und Finsternis die Menschheit umfangen werde. Diese Überlieferungen sind wohlbekannt. Da dieser Diener sich kurz fassen will, sieht Er davon ab, aus dem Text dieser Traditionen zu zitieren.
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