Textzusammenstellung | Frieden
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47:12
Nehmen wir nur ein Beispiel: Wie überzeugt klangen die Erklärungen, die in den Tagen vor der Vereinigung der Staaten des nordamerikanischen Kontinents über die unüberwindlichen Schranken auf dem Weg zu diesem Zusammenschluss abgegeben wurden! Hat man nicht ausführlich und nachdrücklich dargelegt, die widersprüchlichen Interessen, das gegenseitige Misstrauen, die Unterschiede in Amtsführung und Brauchtum zwischen den Staaten seien so stark, dass keine geistliche oder weltliche Macht jemals hoffen dürfe, sie zu harmonisieren oder zu beherrschen? Und doch, wie verschieden waren die vor 150 Jahren herrschenden Bedingungen von denen, die für die heutige Gesellschaft bezeichnend sind! Ohne Übertreibung kann man sagen, dass das Fehlen jener Erleichterungen, die der neueste wissenschaftliche Fortschritt der heutigen Menschheit dienstbar machte, das Problem, die amerikanischen Staaten zu einem Bund zu verschweißen, weit komplizierter machte als es die Aufgabe ist, der eine gespaltene Menschheit bei ihrem Bemühen um Welteinheit gegenübersteht.
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Wer weiß andererseits, ob nicht für die Verwirklichung eines so erhabenen Planes noch schlimmere Leiden über die Menschheit kommen müssen als alle, die sie bis jetzt ausgestanden hat? Konnte etwas Geringeres als das Feuer eines Bürgerkrieges mit all seiner Gewalttätigkeit und seinen Wechselfällen – ein Krieg, der die große amerikanische Republik fast gespalten hätte – die Staaten nicht nur zu einem Bund unabhängiger Einheiten, sondern zu einer Nation verschmelzen, trotz all der völkischen Unterschiede, die ihre Bestandteile charakterisierendie Staaten, nicht nur zu einem Bund unabhängiger Einheiten, sondern trotz all der charakteristischen ethnischen Unterschiede ihrer Bestandteile zu einer Nation verschmelzen? Dass eine so grundlegende Umwälzung mit einem so weitreichenden Wandel in der Gesellschaftsstruktur auf dem gewöhnlichen Weg der Diplomatie und der Erziehung erreicht werden kann, scheint höchst unwahrscheinlich. Wir brauchen nur die blutgetränkte Menschheitsgeschichte zu betrachten, um festzustellen, dass allein die heftigste geistige und körperliche Pein imstande war, derart epochemachende Wandlungen, wie sie die wichtigsten Wahrzeichen der Kulturentwicklung bilden, rasch herbeizuführen.
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So groß und weitreichend jene früheren Veränderungen auch gewesen sind – in ihrer richtigen Perspektive betrachtet, können sie doch nur als zweitrangige Anpassungsvorgänge erscheinen, als Vorspiel für diese Wandlung von unvergleichlicher Majestät und Reichweite, die die Menschheit in unserem Zeitalter erdulden muss. Dass nur die Kräfte einer Weltkatastrophe eine derart neue Phase menschlichen Denkens vorantreiben können, wird leider immer deutlicher. Dass nichts Geringeres als das Feuer eines harten Gottesgerichts, heftiger als je zuvor, die uneinigen Elemente der heutigen Zivilisation zu sich ergänzenden Bestandteilen des künftigen Weltgemeinwesens verschweißen und verschmelzen kann, ist eine Wahrheit, die künftige Ereignisse immer mehr beweisen werden.
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Die prophetische Stimme Bahá’u’lláhs warnte in den abschließenden Sprüchen der Verborgenen Worte »die Völker der Welt«, dass »unerwartete Trübsal sie verfolgt und schmerzhafte Vergeltung ihrer harrt«. Dies wirft in der Tat ein gespenstisches Licht auf die unmittelbaren Geschicke einer bekümmerten Menschheit. Nur eine Feuerprobe, aus der diese Menschheit geläutert und vorbereitet wiederersteht, kann ihr ein Gefühl für die Verantwortung einbrennen, welche die Führer eines neugeborenen Zeitalters auf ihre Schultern nehmen müssen.
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Zum wiederholten Male möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf jene bedeutenden Worte Bahá’u’lláhs lenken, die ich bereits angeführt habe: »Und wenn die festgesetzte Stunde kommt, wird plötzlich erscheinen, was der Menschheit Glieder zittern macht.«
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Hat nicht ‘Abdu’l-Bahá selbst in unzweideutiger Sprache versichert, dass »ein zweiter Krieg, grimmiger als der letzte, sicherlich ausbrechen wird«?
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Von der Vollendung dieses kolossalen, dieses unsagbar ruhmreichen Unternehmens – eines Unternehmens, das die Erfindergabe römischer Staatskunst in Verwirrung stürzte, vor dem die verzweifelten Kraftakte eines Napoleon versagten – wird die endgültige Verwirklichung jenes Tausendjährigen Reiches abhängen, von dem die Dichter aller Zeiten sangen und die Seher seit alters träumten. Von dieser Vollendung wird es abhängen, dass die Verheißungen der alten Propheten sich erfüllen, wonach die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet werden und der Löwe und das Lamm beisammen ruhen. Allein diese Vollendung kann zum Reich des Himmlischen Vaters führen, wie es der Glaube Jesu Christi verheißen hat. Allein diese Vollendung kann das Fundament für die neue Weltordnung, wie sie Bahá’u’lláh vor Augen stand, legen – eine Weltordnung, die, wenn auch nur schwach, auf Erden den unbeschreiblichen Strahlenglanz des Reiches Abhá widerspiegeln wird.
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Ein weiteres Wort zum Beschluss: Die Verkündigung der Einheit der Menschheit – der Eckstein der allumfassenden Herrschaft Bahá’u’lláhs – kann unter keinen Umständen mit solchen Verlautbarungen frommer Hoffnung verglichen werden, wie sie früher geäußert wurden. Bahá’u’lláh hat nicht nur einen Ruf erschallen lassen, allein und ohne Hilfe im Angesicht des hartnäckigen, vereinten Widerstandes zweier der mächtigsten orientalischen Herrscher Seiner Zeit, während Er selbst ein Verbannter und Gefangener in ihren Händen war. Sein Ruf enthält zugleich eine Warnung und ein Versprechen: eine Warnung, dass in ihm selbst das einzige Mittel zum Heil einer grausam leidenden Welt liegt, und ein Versprechen, dass die Verwirklichung dieses Heils nahe bevorsteht.
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Verkündet zu einer Zeit, als man seine Möglichkeit noch in keinem Teil der Erde ernstlich ins Auge fasste, wird dieser Ruf kraft der himmlischen Macht des Geistes Bahá’u’lláhs heute von einer wachsenden Zahl denkender Menschen nicht nur als eine sich anbahnende Möglichkeit betrachtet, sondern als das notwendige Ergebnis der Kräfte, die in unserer Welt am Werke sind.
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Sicherlich hat es diese Welt – durch den erstaunlichen Fortschritt im Reich der Physik sowie durch die weltweite Ausdehnung von Handel und Industrie zusammengeschrumpft und in einen eng verflochtenen Organismus verwandelt, unter dem lastenden Druck der weltwirtschaftlichen Mächte und inmitten der Fallgruben einer materialistischen Zivilisation – bitter nötig, dass ihr die Wahrheit, die allen Offenbarungen der Vergangenheit zugrunde liegt, neu dargereicht wird, und zwar in einer Sprache, die ihren wesentlichen Bedürfnissen entspricht. Und welche Stimme außer Bahá’u’lláh, dem Sprachrohr Gottes für dieses Zeitalter, ist imstande, eine Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen, so radikal wie die Veränderung, die Er bereits in den Herzen jener Männer und Frauen bewirkte, die aus ihrer scheinbaren Verschiedenartigkeit und Unversöhnlichkeit zur Körperschaft Seiner erklärten Anhänger auf der ganzen Erde zusammengewachsen sind?
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Dass eine so mächtige Idee im menschlichen Denken rasch aufblühen wird, dass sich Stimmen zu ihrer Unterstützung erheben werden, dass ihre wesentlichen Strukturen im Bewusstsein der Machthaber rasch kristallisieren müssen, kann in der Tat kaum jemand bezweifeln. Dass ihre bescheidenen Anfänge in der weltweiten Gemeinschaftsordnung, die das Wesen der Anhängerschaft Bahá’u’lláhs ausmacht, bereits Gestalt annehmen, können nur jene, deren Herzen vom Vorurteil vergiftet sind, übersehen.Shoghi Effendi, in: Die Weltordnung Bahá’u’lláhs 3:13–19, 29, 31, 34–35, 40–50Q
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Kein Apparat, der hinter dem Maßstab der Bahá’í-Offenbarung zurückbleibt und dem erhabenen Modell der Lehren Bahá’u’lláhs widerspricht, sei er durch die vereinten Bemühungen der Menschheit auch noch so gut ausgeklügelt, kann je hoffen, irgendetwas über jenen ›Geringeren Frieden‹ hinaus zu vollbringen, auf den der Begründer unseres Glaubens in Seinen Schriften selbst angespielt hat. »Jetzt, da ihr den Größten Frieden abgelehnt habt«, schrieb Er zur Ermahnung der Könige und Herrscher der Erde, »haltet euch an diesen, den Geringeren Frieden, damit ihr eure eigene Lage und die eurer Untertanen einigermaßen bessern möget.« Im selben Sendschreiben spricht Er eingehender über diesen Geringeren Frieden und wendet sich wie folgt an die Herrscher der Erde: »Versöhnt euch, so dass ihr nicht mehr Kriegsrüstungen brauchet, als in dem Maße, um eure Länder und Herrschaften zu schützen … Seid vereinigt, o Könige der Erde, denn dadurch wird der Sturm der Zwietracht unter euch gestillt, und eure Völker werden Ruhe finden – so ihr zu denen gehöret, die verständig sind. Sollte einer von euch die Waffen gegen einen anderen ergreifen, so erhebt euch alle gegen ihn; denn dies ist nichts als offenbare Gerechtigkeit.«
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Der Größte Friede andererseits, wie ihn Bahá’u’lláh versteht – ein Friede, der sich unausweichlich als praktische Folge aus der Vergeistigung der Welt und der Verschmelzung aller ihrer Völker, Konfessionen, Klassen und Nationen ergibt –, kann auf keine andere Grundlage gestellt und durch keine andere Wirkkraft bewahrt werden als die gottgegebenen Satzungen, die in der mit Seinem heiligen Namen verbundenen Weltordnung inbegriffen sind. …
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Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, deren höchstes Ziel es ist, diese organische, geistige Einheit aller Nationen in ihrer Gesamtheit zu vollenden, muss, wenn wir zu ihren selbstverständlichen Folgerungen stehen, als Signal für den Eintritt des gesamten Menschengeschlechts in den Zustand der Mündigkeit betrachtet werden. Sie darf nicht nur als eine weitere geistige Erneuerung in den allzeit wechselnden Geschicken der Menschheit angesehen werden, nicht nur als ein weiteres Glied in einer Kette fortschreitender Offenbarungen, selbst nicht nur als der Gipfelpunkt in einer Stufenfolge wiederholter prophetischer Zyklen. Vielmehr bezeichnet die Offenbarung Bahá’u’lláhs die letzte, höchste Stufe in der atemberaubenden Entwicklung des menschlichen Gesellschaftslebens auf diesem Planeten. Das Hervortreten einer Weltgemeinschaft, das Bewusstsein des Weltbürgertums, die Begründung einer Weltzivilisation und Weltkultur – Strukturen, die allesamt mit den Anfangsstadien in der Entfaltung des Goldenen Zeitalters der Bahá’í-Ära zusammenfallen müssen – sollten ihrer wahren Natur nach, was dieses planetarische Leben anbelangt, als die äußersten Grenzen für die Organisation der menschlichen Gesellschaft angesehen werden, wenngleich der Mensch als Einzelwesen im Ergebnis dieser Vollendung unbegrenzt weiter fortschreiten, sich weiter entwickeln wird und muss.
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Das ganze Menschengeschlecht stöhnt und schmachtet danach, zur Einheit geführt zu werden und sein lange Zeitalter währendes Martyrium zu beenden. Und dennoch weigert es sich hartnäckig, das Licht aufzunehmen und die souveräne Amtsgewalt jener einzigen Macht anzuerkennen, die es aus seinen Verwicklungen befreien und das leidvolle Unheil abwenden kann, das es in den Abgrund zu reißen droht.
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Schicksalsträchtig ist in der Tat die Stimme Bahá’u’lláhs, die aus diesen prophetischen Worten klingt: »O Völker der Welt! Wisset wahrlich, dass unerwartetes Unheil euch verfolgt und schmerzliche Vergeltung euer harrt. Wähnet nicht, was ihr begangen habt, sei vor Meinem Angesicht getilgt.« Und wiederum: »Wir haben euch eine Frist gesetzt, o Völker. Wenn ihr versäumt, euch bis zur festgesetzten Stunde Gott zuzuwenden, wird Er wahrlich gewaltig Hand an euch legen und schwere Leiden von allen Seiten über euch kommen lassen. Wie streng ist fürwahr die Züchtigung, mit der euer Herr euch dann züchtigen wird!«
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Muss die Menschheit wirklich, gepeinigt wie sie schon ist, noch schlimmer von Drangsalen befallen werden, ehe deren läuternder Einfluss sie für den Eintritt in das himmlische Königreich, das auf Erden errichtet werden soll, vorbereiten kann? Muss der Beginn eines so großen, so einzigartigen, so erleuchteten Zeitalters angekündigt werden durch eine Katastrophe in den menschlichen Angelegenheiten von solchen Ausmaßen, dass sie den entsetzlichen Zusammenbruch der römischen Kultur in den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters in Erinnerung ruft, ja übertrifft? Muss eine Folge tiefgreifender Erschütterungen das Menschengeschlecht rütteln und schütteln, ehe Bahá’u’lláh im Herzen und Gewissen der Massen auf den Thron gesetzt werden kann, ehe Seine Überlegenheit allgemein und unumstritten anerkannt wird, ehe das edle Bauwerk Seiner Weltordnung aufgeschlagen und errichtet wird?
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Die langen Zeiten der Kindheit und der Minderjährigkeit, welche die Menschheit zu durchschreiten hatte, sind in den Hintergrund getreten. Die Menschheit erlebt jetzt die Erregungen, die unabänderlich mit der stürmischsten Stufe ihrer Entwicklung, dem Jünglingsalter, verbunden sind. In dieser Zeit erreichen jugendliche Unbändigkeit und Heftigkeit den Höhepunkt; sie müssen Schritt für Schritt von der Ruhe, der Weisheit und der Vollendung abgelöst werden, welche die Stufe des Mannesalters kennzeichnen. Dann wird das Menschengeschlecht jene Gestalt der Reife erlangen, die es befähigen wird, alle die Kräfte und Fähigkeiten zu erwerben, von denen seine Entwicklung letztlich abhängt.
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Die Vereinigung der ganzen Menschheit ist das Kennzeichen der Stufe, der sich die menschliche Gesellschaft heute nähert. Die Einheit der Familie, des Stammes, des Stadtstaates und der Nation ist nacheinander in Angriff genommen und völlig erreicht worden. Welteinheit ist das Ziel, dem eine gequälte Menschheit zustrebt. Der Aufbau von Nationalstaaten ist zu einem Ende gekommen. Die Anarchie, die der nationalstaatlichen Souveränität anhaftet, nähert sich heute einem Höhepunkt. Eine Welt, die zur Reife heranwächst, muss diesen Fetisch aufgeben, die Einheit und Ganzheit der menschlichen Beziehungen erkennen und ein für alle Mal den Apparat aufrichten, der diesen Leitgrundsatz ihres Daseins am besten zu verkörpern vermag.
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Die Einheit des Menschengeschlechts, wie sie Bahá’u’lláh vorausschaut, umschließt die Errichtung eines Weltgemeinwesens, in dem alle Nationen, Völker, Konfessionen und Klassen eng und dauerhaft vereint, die Autonomie seiner nationalstaatlichen Glieder sowie die persönliche Freiheit und Selbständigkeit der einzelnen Menschen, aus denen es gebildet ist, ausdrücklich und völlig gesichert sind. Dieses Gemeinwesen muss, soweit wir es uns vorstellen können, aus einer Weltlegislative bestehen, deren Mitglieder als Treuhänder der ganzen Menschheit die gesamten Ressourcen aller Mitgliedstaaten überwachen. Sie muss die erforderlichen Gesetze geben, um das Leben aller Nationen und Völker zu steuern, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre wechselseitigen Beziehungen anzupassen. Eine Weltexekutive, gestützt auf eine internationale Streitmacht, wird die Beschlüsse jener Weltlegislative ausführen, deren Gesetze anwenden und die organische Einheit des ganzen Gemeinwesens sichern. Ein Weltgerichtshof wird seine bindende, endgültige Entscheidung in sämtlichen Streitfragen, die zwischen den vielen Gliedern dieses allumfassenden Systems auftreten können, fällen und zustellen. Ein Netzwerk weltweiter Kommunikation wird ersonnen werden; es wird den ganzen Erdball umspannen und, von allen nationalen Hindernissen und Beschränkungen frei, mit wunderbarer Schnelligkeit und vollkommener Pünktlichkeit ablaufen. Eine Welthauptstadt wird als Nervenzentrum einer Weltzivilisation und als Brennpunkt wirken, in dem die einigenden Lebenskräfte zusammenlaufen und von dem ihre kraftbringenden Einflüsse ausstrahlen werden. Eine Weltsprache wird entweder geschaffen oder unter den bestehenden Sprachen ausgewählt und in den Schulen aller verbündeten Nationen als ein Hilfsmittel neben der jeweiligen Muttersprache gelehrt werden. Eine Weltschrift, eine Weltliteratur, ein einheitliches, allumfassendes Währungs-, Gewichts- und Maßsystem werden den Verkehr und die Verständigung unter den Nationen und Völkern der Menschheit vereinfachen und erleichtern. In dieser Weltgesellschaft werden Wissenschaft und Religion, die beiden gewaltigsten Kräfte im menschlichen Leben, in Einklang gebracht sein; sie werden zusammenwirken und sich harmonisch entwickeln. Die Presse wird in einem solchen System der Darlegung der verschiedenen Ansichten und Überzeugungen der Menschheit vollen Spielraum gewähren, aber nicht mehr durch althergebrachte Interessen, seien sie persönlicher oder allgemeiner Natur, unheilvoll gelenkt sein; vom Einfluss streitender Regierungen und Völker wird sie befreit sein. Die wirtschaftlichen Hilfsmittel der Welt werden organisiert, ihre Rohstoffquellen erschlossen und restlos nutzbar gemacht, ihre Märkte aufeinander abgestimmt und entwickelt, die Verteilung ihrer Erzeugnisse unparteiisch geregelt werden.
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Nationale Rivalität, Hass und Intrigen werden aufhören, rassistische Feindseligkeiten und Vorurteile werden durch Freundschaft, Verständigung und Zusammenarbeit ersetzt werden. Die Ursachen religiöser Zwistigkeiten werden für immer aus dem Wege geräumt werden; wirtschaftliche Schranken und Hindernisse werden völlig beseitigt, der maßlose Klassenunterschied verwischt werden. Mangel auf der einen Seite und unmäßige Anhäufung von Eigentumsrechten auf der anderen Seite werden verschwinden. Die ungeheuren Kräfte, die für die wirtschaftliche oder politische Kriegsführung verzettelt und vergeudet werden, fließen Zwecken zu, welche die Reichweite menschlicher Erfindungen erweitern, die technische Entwicklung fördern, die Produktivität der Menschheit steigern, Krankheiten ausrotten, wissenschaftliche Forschungen ausdehnen, den körperlichen Gesundheitszustand heben, den menschlichen Verstand schärfen und verfeinern, die ungenutzten, ungeahnten Ressourcen dieser Erde ausbeuten, das menschliche Dasein verlängern und jedwedes andere Mittel fördern, welches das verstandliche, sittliche und geistige Leben des ganzen Menschengeschlechts anzuregen vermag.
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Ein Weltbundsystem, das die ganze Erde beherrscht und unanfechtbare Amtsgewalt über ihre unvorstellbar großen Ressourcen hat, das die Ideale sowohl des Ostens wie auch des Westens verkörpert und in Einklang bringt, vom Fluch und Elend des Krieges befreit und auf die Ausnützung aller verfügbaren Kraftquellen der Erdoberfläche bedacht ist, ein System, in dem die Gewalt zur Dienerin der Gerechtigkeit gemacht ist, dessen Leben von der allumfassenden Anerkennung eines Gottes und vom Gehorsam gegen eine gemeinsame Offenbarung getragen ist – dies ist das Ziel, dem die Menschheit, durch die vereinenden Lebenskräfte angetrieben, zustrebt.Shoghi Effendi, in: Die Weltordnung Bahá’u’lláhs 7:7–9, 106–109, 111–113Q
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Die welterschütternde, harte Prüfung, die Bahá’u’lláh, wie auf den vorangegangenen Seiten angeführt, so anschaulich vorhergesagt hat, mag sie in einem noch nie dagewesenen Grade in ihren Wirbel hineinreißen. Im Gegensatz zu ihrer Reaktion auf den letzten Weltkonflikt wird sie vermutlich aus ihm in bewusster Entschlossenheit auftauchen, um die Gelegenheit zu ergreifen, das volle Gewicht ihres Einflusses auf die ungeheuren Probleme geltend zu machen, die solch eine harte Prüfung nach sich zieht, und um in Verbindung mit ihren Schwesternationen des Ostens und Westens den größten Fluch zu bannen, der seit undenklichen Zeiten die Menschheit heimgesucht und erniedrigt hat.
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Dann und nur dann wird die amerikanische Nation, geformt und gereinigt im Schmelztiegel eines allgemeinen Krieges, abgehärtet gegen seine Fieberfröste und diszipliniert durch seine Schule, in der Lage sein, ihre Stimme im Rat der Nationen zu erheben, selbst den Grundstein für einen weltweiten und dauernden Frieden zu legen, die Geschlossenheit, Einheit und Reife der Menschheit zu verkünden und bei der Errichtung der versprochenen Herrschaft der Gerechtigkeit auf Erden mitzuhelfen. Dann und nur dann wird die amerikanische Nation, während die Gemeinde der amerikanischen Gläubigen in ihrem Herzen ihren göttlich erteilten Auftrag ausführt, in der Lage sein, die unaussprechlich herrliche Sendung zu erfüllen, die ihr vom Allmächtigen bestimmt wurde und in den Schriften ‘Abdu’l-Bahás unvergänglich verwahrt ist. Dann und nur dann wird die amerikanische Nation das vollbringen, »was die Seiten der Geschichte schmücken wird«, »von der Welt beneidet und in Ost und West … gesegnet.«Shoghi Effendi, in: Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit 123–124Q
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Die Welt bewegt sich wahrlich ihrem vorherbestimmten Geschick entgegen. Die gegenseitige Abhängigkeit der Völker und Nationen der Erde ist, was immer die Führer der spaltenden Kräfte in der Welt sagen oder tun mögen, bereits eine vollendete Tatsache. Ihre Einheit im wirtschaftlichen Bereich wird jetzt verstanden und anerkannt. Die Wohlfahrt des Teiles bedeutet Wohlfahrt des Ganzen, und die Not des Teiles bringt Not dem Ganzen. Die Offenbarung Bahá’u’lláhs hat, nach Seinen eigenen Worten, diesem gewaltigen, jetzt in der Welt waltenden Geschehen »einen neuen Impuls verliehen und eine neue Richtung gewiesen«. Die durch das große Gottesgericht entzündeten Feuer sind Folgen des Versagens der Menschen, dieses Geschehen zu erkennen. Sie beschleunigen zudem seine Vollendung. Fortgesetzte, weltumfassende, schmerzliche, dem Chaos und der allgemeinen Zerstörung verbündete Trübsal muss notwendigerweise die Nationen erschüttern, das Gewissen der Welt aufrütteln, die Massen ernüchtern, im Gesellschaftsbegriff selbst den völligen Wandel beschleunigen und schließlich die ausgerenkten, blutenden Glieder der Menschheit zu einem einzigen, organisch vereinten und unteilbaren Körper verbinden.
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Auf die allgemeine Wesensart, die Folgerungen und Merkmale dieses Weltstaatenbundes, der früher oder später aus dem Blutbad, dem Todeskampf und der Verwüstung dieser großen Welterschütterung aufzusteigen bestimmt ist, habe ich schon in den vorhergehenden Ausführungen hingewiesen. Es genügt zu sagen, dass diese Vollendung, entsprechend ihrer Wesensart, einen schrittweisen Verlauf nehmen wird, und, wie Bahá’u’lláh selbst vorausgesehen hat, zuerst zur Gründung jenes ›Kleineren Friedens‹ führen muss, den die Nationen der Erde von sich aus errichten werden, noch ohne sich Seiner Offenbarung bewusst zu sein und noch ohne Wissen darüber, dass sie die allgemeinen Grundsätze durchsetzen, die Er verkündet hat. Dieser bedeutungsvolle und historische Schritt, der die Wiederherstellung der Menschheit als Ergebnis allgemeiner Erkenntnis ihrer Einheit und Ganzheit enthält, wird die Vergeistigung der Massen unmittelbar mit sich bringen, die auf die Erkenntnis der Wesensart und die Anerkennung der Ansprüche des Glaubens Bahá’u’lláhs folgt. Sie sind die wesentlichen Vorbedingungen dafür, dass alle Völker, Konfessionen, Klassen und Nationen letztlich miteinander verschmelzen, was das Aufsteigen Seiner Neuen Weltordnung kennzeichnen wird.
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Dann wird die Zeit der Reife des ganzen Menschengeschlechtes von allen Völkern und Nationen der Erde verkündet und gefeiert werden. Dann wird das Banner des ›Größten Friedens‹ gehisst werden. Dann wird die weltweite Herrschaft Bahá’u’lláhs, des Begründers des Reiches vom Vater, wie sie vom Sohne geweissagt und von den Offenbarern Gottes vor und nach Ihm vorausgeschaut ist, anerkannt, mit Freude begrüßt und fest errichtet werden. Dann wird eine Weltzivilisation geboren werden, blühen und für immer fortdauern, eine Zivilisation mit einer Lebensfülle, wie sie die Welt weder gesehen hat noch bis jetzt begreifen kann. Dann wird der Ewige Bund voll erfüllt werden. Dann wird die in allen Büchern Gottes eingeschlossene Verheißung eingelöst werden, alle durch die Propheten alter Zeiten ausgesprochene Weissagungen werden eintreffen, und die Gesichte der Seher und Dichter werden sich verwirklichen. Dann wird der Planet, vergoldet durch den allumfassenden Glauben seiner Bewohner an einen Gott und ihre Ergebenheit in eine allgemeine Offenbarung, in den ihm gesetzten Grenzen den strahlenden Ruhm der Herrschaft Bahá’u’lláhs widerspiegeln, der in der Fülle seines Glanzes im Abhá-Paradiese leuchtet. Er wird zum Schemel Seines Thrones in der Höhe gemacht und als der Himmel auf Erden bejubelt werden, der fähig ist, das unaussprechliche Schicksal zu erfüllen, das ihm seit undenklichen Zeiten durch die Liebe und Weisheit seines Schöpfers bestimmt war.Shoghi Effendi, in: Der verheißene Tag ist gekommen 299–301Q
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Er drängt nachdrücklich auf das Prinzip der kollektiven Sicherheit und empfiehlt die Beschränkung der nationalen Rüstungen; und verkündet, es sei unumgänglich und notwendig, eine Weltkonferenz einzuberufen, auf der die Könige und Herrscher der Welt über die Errichtung von Frieden unter den Nationen beraten.Shoghi Effendi, Gott geht vorüber 398Q
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Während dieses gestaltenden Zeitalters des Glaubens, in der gegenwärtigen und den folgenden Epochen, wird der letzte, krönende Abschnitt beim Aufbau des Systems der administrativen Ordnung des Glaubens Bahá’u’lláhs – die Wahl des Universalen Hauses der Gerechtigkeit – vollendet, der Kitab-i-Aqdas, das Mutterbuch Seiner Offenbarung, wird kodifiziert, seine Gesetze verkündet, der Geringere Friede geschaffen, die Einheit der Menschheit erreicht und ihre Reife erlangt, der von ‘Abdu’l-Bahá aufgestellte Plan durchgeführt, der Glaube von den Fesseln religiöser Orthodoxie befreit und sein Status als unabhängige Religion weltweit anerkannt worden sein. …
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Wir können nicht versäumen, zwei gleichzeitig wirkende Prozesse wahrzunehmen, deren Ursprung weit zurück in den abschließenden Jahren des heroischen Zeitalters unseres Glaubens liegt, jeder genau umrissen, jeder deutlich vom andern getrennt und dennoch eng verknüpft und dazu ausersehen, in einem Punkt einzigartig herrlicher Vollendung zu gipfeln, sobald die Zeit erfüllt sein wird.
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Einer dieser Prozesse ist mit dem Auftrag der amerikanischen Bahá’í-Gemeinde verbunden, der andere mit dem Schicksal der amerikanischen Nation. Der eine dient unmittelbar den Interessen der administrativen Ordnung des Glaubens Bahá’u’lláhs
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Der andere Prozess geht auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurück, der die große Republik des Westens in den Strudel der ersten Phase einer Weltumwälzung warf. Er erhielt seinen ersten Anstoß durch die Formulierung von Präsident Wilsons Vierzehn Punkten, die zum ersten Mal jene Republik mit den Geschicken der Alten Welt eng verband. Er erlitt seinen ersten Rückschlag, als sich jene Republik vom gerade ins Leben gerufenen Völkerbund lossagte, den zu schaffen jener Präsident sich so eifrig eingesetzt hatte. Er erhielt neuen Schwung mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, welcher der Republik bislang beispielloses Leid zufügte und sie noch weiter in die Angelegenheiten aller Kontinente des Erdballs hineinzog. Er wurde ferner durch die in der Atlantik-Charta formulierten Deklaration gestärkt, deren Hauptverfechter Franklin D. Roosevelt war. Er erhielt durch die Geburt der Vereinten Nationen bei der Konferenz von San Francisco ein fest umrissenes Konzept. Er gewann zusätzlich an Bedeutung durch die Wahl gerade der Stadt des Bundes zum Sitz der neugeborenen Organisation, durch die vor kurzem abgegebene Erklärung des amerikanischen Präsidenten im Zusammenhang mit dem Engagement seines Landes in Griechenland und der Türkei sowie die an die Generalversammlung der Vereinten Nationen gerichtete Unterbreitung des heiklen und herausfordernden Problems des Heiligen Landes, das geistiges wie auch administratives Zentrum des Weltglaubens Bahá’u’lláhs ist. Er muss, wie lang und umständlich der Weg auch sein mag, durch eine Reihe von Siegen und Niederlagen zur politischen Vereinigung der östlichen und westlichen Hemisphäre, zur Entstehung einer Weltregierung und zur Gründung des Geringeren Friedens führen, so wie Bahá’u’lláh vorausgesagt und der Prophet Jesaia angedeutet hat. Er muss schließlich im Entfalten des Banners des Größten Friedens im Goldenen Zeitalter der Sendung Bahá’u’lláhs gipfeln.Shoghi Effendi, in: Citadel of Faith, p. 6, pp. 32-33Q
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