Universales Haus der Gerechtigkeit | Botschaft vom 2020-07-22 Zu rassistischen Vorurteilen und dem besonderen Beitrag der Bahá’í-Gemeinde der USA zu deren Abschaffung
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Das Universale Haus der Gerechtigkeit
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22. Juli 2020
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An die Bahá’í der Vereinigten Staaten
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Liebe Bahá’í-Freunde,
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ein Moment mit historischen Vorzeichen ist für Ihre Nation gekommen, da sich das Gewis-sen ihrer Bürgerinnen und Bürger geregt hat, wodurch Möglichkeiten für einen deutlichen gesellschaftlichen Wandel geschaffen wurden. Er ist nicht nur für die Bestimmung Amerikas von Bedeutung, die in den Heiligen Schriften vorausgesagt wird, sondern auch für die Mis-sion, mit der Ihre Gemeinde von ‘Abdu’l-Bahá selbst betraut wurde. Er schätzte Sie sehr und rief Sie auf, einen Weg der Opferbereitschaft und hohen Strebens zu beschreiten. Wir sind erfreut zu sehen, dass Sie unter der Führung Ihres Nationalen und Ihrer örtlichen Geistigen Räte Gelegenheiten ergreifen – seien es solche, zu denen Sie aufgrund der gegenwärtigen Umstände gedrängt werden, oder solche, die sich aus Ihrer systematischen mühevollen Arbeit in der Sie umgebenden Gesellschaft ergeben –, Ihre Rolle, wie bescheiden sie auch immer sein mag, bei den Bemühungen um die Heilung der Krankheiten Ihrer Nation zu spielen. Wir beten inständig dafür, dass das amerikanische Volk die Möglichkeiten dieses Moments nutzen möge, um eine daraus resultierende Reform der Gesellschaftsordnung zu schaffen, die es von den schädlichen Auswirkungen der Rassenvorurteile befreit und die Verwirklichung einer gerechten, vielfältigen und geeinten Gesellschaft beschleunigt, in der sich die Einheit der Menschheitsfamilie zunehmend manifestieren kann.
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Traurigerweise zeigt die Geschichte Ihres Landes jedoch, dass jeder bedeutende Fortschritt auf dem Weg zur Rassengleichheit stets, offen oder verdeckt, auf entgegengesetzte Prozesse stieß, die zum Ziel hatten, die erreichten Fortschritte zu untergraben und die Kräfte der Unterdrückung mit anderen Mitteln wiederherzustellen. Was also auch immer das unmittelbare Resultat der gegenwärtigen Geschehnisse sein mag – lassen Sie sich davon nicht abschrecken, denn Sie wissen um den „langen und dornigen, mit Fallgruben versehenen Weg“, den der Hüter beschrieben hat und der noch vor Ihnen liegt. Ihr Engagement, diesen Weg mit Entschlossenheit und Einsicht zu beschreiten und sich dabei auf das zu stützen, was Sie in den letzten Jahren über die Umsetzung der Lehren Bahá’u’lláhs in die Realität gelernt haben, muss bis zu der Zeit aufrechterhalten werden, zu der Sie, wie von Shoghi Effendi vorausgesehen, Ihren entscheidenden Beitrag zur Ausrottung von Rassenvorurteilen aus dem Gefüge Ihrer Nation geleistet haben werden.
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Die Prinzipien und Ermahnungen, die Ihre Schritte leiten, sind Ihnen aus den Schriften von ‘Abdu’l-Bahá und Shoghi Effendi wohlbekannt. Die in der aktuellen Reihe von Plänen entwickelten Konzepte und Ansätze für gesellschaftlichen Wandel, die zur Förderung der Einheit der Rassen im Kontext von Gemeindebildung, sozialem Handeln und der Beteiligung an den gesellschaftlichen Diskursen genutzt werden können, wurden bereits in unseren Botschaften dargelegt. Jeder Gläubige sollte in seiner Eigenschaft als Verkünder von Bahá’u’lláhs zentralem Prinzip der Einheit der Menschheit intensiv darüber nachdenken und die daraus sich ergebenden, anspruchsvollen Implikationen für die tiefgreifende Veränderung des Denkens und Handelns abwägen, die jetzt vonnöten sind. „Die amerikanische Bahá’í-Gemeinde, dazu ausersehen, als Sauerteig die Gesamtheit zu durchdringen“, mahnte der Hüter, „kann nicht hoffen, den Prüfungen, denen sich die Nation gegenübergestellt sieht, zu entgehen, noch kann sie andererseits den Anspruch erheben, von den Übeln, die ihren Charakter beflecken, völlig unberührt zu sein.“ „Von beiden Rassen ist eine ungeheure Anstrengung erforderlich, wenn ihre Anschauung, ihr Benehmen und ihr Verhalten in diesem dunklen Zeitalter den Geist und die Lehren des Glaubens Bahá’u’lláhs widerspiegeln sollen“, erklärte er ebenfalls. „Lasst keinen von beiden denken, dass die Lösung eines so umfassenden Problems ausschließlich Sache des anderen sei. Lasst keinen glauben, dass ein solches Problem leicht oder sofort gelöst werden könnte.“ „Jede sollte sich bemühen, der anderen zum wechselseitigen Fortschritt zu verhelfen und sie dabei zu unterstützen“, erklärte ‘Abdu’l-Bahá. „Liebe und Einheit werden unter euch gepflegt werden und so die Einheit der Menschheit hervorbringen.”
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Rassismus ist eine tiefgreifende Abirrung vom Standard wahrer Moral. Er beraubt einen Teil der Menschheit der Möglichkeit, die ganze Bandbreite der eigenen Fähigkeiten zu kultivieren und zum Ausdruck zu bringen und ein sinnvolles und blühendes Leben zu führen, gleichzeitig wird der Fortschritt der übrigen Menschheit behindert. Er kann nicht durch Konkurrenz und Kampf ausgerottet werden. An seine Stelle muss die Schaffung gerechter Beziehungen zwischen Einzelpersonen, Gemeinden und Institutionen der Gesellschaft treten, durch die alle aufgebaut werden und niemand als „anders“ bezeichnet wird. Der erforderliche Wandel ist nicht nur auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet vonnöten, sondern vor allem in moralischer und geistiger Hinsicht. Innerhalb des Rahmens, der Ihre Aktivitäten bestimmt, ist es notwendig, die sich um Sie herum entfaltenden Kräfte sorgfältig zu untersuchen, damit Sie feststellen können, wo Ihre Energien die aussichtsreichsten Initiativen verstärken könnten, was Sie vermeiden sollten und wie Sie einen unverwechselbaren Beitrag leisten könnten. Sie können den von Bahá’u’lláh geschauten Wandel nicht allein dadurch herbeiführen, dass Sie die Perspektiven, Praktiken und Konzepte, die Kritik und die Sprache der heutigen Gesellschaft übernehmen. Ihr Ansatz wird sich stattdessen dadurch auszeichnen, dass Sie eine demütige Lernhaltung einnehmen, Alternativen im Lichte Seiner Lehren abwägen, miteinander beraten, um unterschiedliche Ansichten in Einklang zu bringen und kollektives Handeln zu gestalten, sowie in unerschütterlicher Einheit in geschlossenen Reihen voranschreiten.
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Letztlich wird die Macht, die Welt zu wandeln, durch Liebe bewirkt, eine Liebe, die der Beziehung zum Göttlichen entspringt, eine Liebe, die unter den Mitgliedern einer Gemeinde lodert, eine Liebe, die ausnahmslos jeden Menschen einschließt. Diese göttliche Liebe, die durch das Wort Gottes entzündet wird, wird von den entflammten Seelen durch vertrauensvolle Gespräche verbreitet, die in den Herzen der Menschen neue Empfänglichkeit schaffen, den Geist für moralische Überzeugungen öffnen und die Fesseln einseitig geschaffener Normen und gesellschaftlicher Systeme lockern, so dass sie allmählich eine neue Form annehmen können, die den Erfordernissen des Reifealters der Menschheit entspricht. Die Kanäle für diese göttliche Liebe sind Sie; lassen Sie diese Liebe zu allen fließen, die Ihren Weg kreuzen, in jede Nachbarschaft und jeden sozialen Raum, in dem Sie sich bewegen, um so die Fähigkeit zu entwickeln, die gesellschaftsbildende Kraft der Offenbarung Bahá’u’lláhs zu kanalisieren. Es kann kein Rasten und Ruhen geben, bis das vorbestimmte Ergebnis erreicht ist.
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Vor Ihnen liegen Zeiten der Prüfung und der Verheißung, der Mühsal und des Fortschritts, der Qual und der Freude. Unter allen Umständen ist der Meister Ihr Trost und Ihre Stütze. Für diejenigen, die nach dauerhaftem Wandel streben, gibt Sein Beispiel Führung auf dem Weg – taktvoll und weise in Seinem Vorgehen, von eindringlicher Sprache, frei von jeglicher Diskriminierung im Umgang mit anderen, unermüdlich in der Anteilnahme für die Unterdrückten, mutig in der Haltung, beharrlich im Handeln, unerschütterlich angesichts von Prüfungen, unbeirrbar in Seinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Und allen, die sich aufmachen, Ihm nachzueifern, bietet Er diese unumstößliche Gewissheit an: Das, was bestätigt ist, ist „die Einheit der Menschenwelt. Jede Seele, die dieser Einheit dient, wird zweifelsohne unterstützt und bestätigt.”
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[gezeichnet: Das Universale Haus der Gerechtigkeit]
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