‘Abdu’l-Bahá | Ansprachen in Paris
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‘Abdu’l-Bahá
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Ansprachen in Paris
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Teil 1Die Pflicht zur Freundlichkeit und Anteilnahme gegenüber Ausländern und Fremden
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16. und 17. Oktober 1911
1:1
Wenn sich ein Mensch zu Gott hinwendet, findet er überall Sonnenschein. Alle Menschen sind seine Brüder. Vermeidet, wenn ihr mit Ausländern zusammenkommt, durch überkommene Förmlichkeit den Anschein von Kälte und mangelnder Anteilnahme zu erwecken. Schaut sie nicht an, als ob ihr sie für Tunichtgute, Diebe oder Flegel hieltet. Es mag euch geraten erscheinen, vorsichtig zu sein, um euch nicht den Gefahren einer Bekanntschaft mit solchen vielleicht unerwünschten Elementen auszusetzen.
1:2
Ich bitte euch, denkt nicht nur an euch selbst. Seid freundlich zu den Fremden, gleichviel ob sie aus der Türkei, aus Japan, Persien, Russland, China oder irgendeinem anderen Land der Erde kommen.
1:3
Helft ihnen, sich daheim zu fühlen, erkundigt euch nach ihrer Unterkunft, fragt, ob ihr ihnen nicht irgendeinen Dienst erweisen könnt, und versucht, ihr Leben ein wenig glücklicher zu gestalten.
1:4
Bleibt auch dann noch weiterhin freundlich, wenn sich euer ursprünglicher Verdacht bestätigt – derartige Freundlichkeit wird ihnen helfen, sich zu bessern.
1:5
Warum sollten wir überhaupt Ausländer als Fremde behandeln?
1:6
Lasst die Menschen, die ihr trefft, auch ohne besondere Betonung wissen, dass ihr in der Tat Bahá’í seid.
1:7
Setzt Bahá’u’lláhs Lehre von der Güte gegenüber allen Nationen in die Tat um. Begnügt euch nicht damit, durch Worte Freundschaft zu erzeigen, lasst eure Herzen in liebevoller Freundlichkeit für alle erglühen, die eure Wege kreuzen.
1:8
O ihr, die ihr dem Westen angehört: seid gut zu denen, die aus der Welt des Ostens kommen, um unter euch zu weilen. Vergesst in der Unterhaltung mit ihnen eure Förmlichkeiten, die ihnen ungewohnt sind, östlichen Völkern erscheint ein derartiges Verhalten kalt und unfreundlich. Befleißigt euch vielmehr des Mitempfindens. Lasst sie fühlen, dass ihr von allumfassender Liebe erfüllt seid. Wenn ihr einen Perser oder einen anderen Fremden trefft, so redet mit ihm wie mit einem Freunde; scheint er einsam zu sein, so trachtet danach, ihm zu helfen. Leiht ihm bereitwillig eure Dienste. Wenn er traurig ist, so tröstet ihn, wenn er arm ist, unterstützt ihn, wenn er bedrückt ist, steht ihm bei, ist er im Elend, stärkt ihn. Tut ihr das, so werdet ihr nicht nur mit Worten, sondern auch durch Taten und in der Wahrheit zeigen, dass ihr alle Menschen als Brüder anseht.
1:9
Was kann es nützen zuzustimmen, dass weltumfassende Freundschaft gut ist, und von der Gemeinschaft der menschlichen Völker als von einem hohen Ziel zu reden? Solange derartige Gedanken nicht zu Taten werden, sind sie wertlos.
1:10
Das Unrecht in der Welt besteht gerade deshalb weiter, weil die Menschen lediglich von ihren Idealen reden und nicht auch trachten, sie in Taten umzusetzen. Würden Taten an die Stelle der Worte treten, so würde das Elend auf der Welt sehr bald in Wohlergehen verwandelt werden.
1:11
Ein Mensch, der Gutes tut und nicht darüber spricht, ist auf dem Wege zur Vervollkommnung.
1:12
Wer wenig Gutes tut und es durch Reden größer macht, ist nur recht wenig wert.
1:13
Wenn ich euch liebe, muss ich nicht fortgesetzt von meiner Liebe sprechen – ihr werdet es auch ohne irgendwelche Worte wissen. Liebte ich euch hingegen nicht, so würdet ihr es gleichfalls wissen – und ihr würdet mir nicht glauben, selbst wenn ich mit tausend Worten erzählte, dass ich euch liebe.
1:14
Die Menschen machen viel Wesens um das Gute, indem sie viele schöne Worte gebrauchen, weil sie größer und besser als ihre Mitmenschen erscheinen möchten und in den Augen der Welt nach Ruhm begehren. Wer das meiste Gute tut, der macht die wenigsten Worte über seine Taten.
1:15
Die Kinder Gottes tun ihre Werke, ohne sich zu brüsten, indem sie Seine Gebote halten.
1:16
Ich hoffe für euch, dass ihr immer Gewalt und Unterdrückung meiden und unablässig arbeiten werdet, bis Gerechtigkeit in jedem Lande herrscht, und dass ihr eure Herzen rein und eure Hände frei von Unrecht haltet.
1:17
Dies ist es, was ihr tun müsst, um Gott nahe zu kommen, dies ist, was ich von euch erwarte.
Die Macht und der Wert des wahren Denkens hängen von dessen Äußerung in Taten ab
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18. Oktober 1911
2:1
Die Wirklichkeit des Menschen ist sein Denken, nicht sein stofflicher Körper. Die Kraft des Denkens und die tierischen Kräfte sind Partner. Obwohl der Mensch an der Tierwelt teilhat, so besitzt er doch eine Gedankenmacht, die allen übrigen Geschöpfen überlegen ist.
2:2
Wenn ein Mensch in seinen Gedanken fortgesetzt den himmlischen Dingen zustrebt, wird er wie ein Heiliger, wenn sich seine Gedanken hingegen nicht erheben, sondern abwärts trachten, um sich in den Mittelpunkt der Dinge dieser Welt zu stellen, wird er fortwährend materieller, bis er einen Zustand erreicht, der wenig besser als der des bloßen Tieres ist.
2:3
Wir können zwei Klassen von Gedanken unterscheiden:
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1. Gedanken, die nur der Welt des Denkens angehören,
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2. Gedanken, die sich in Taten äußern.
2:6
Manche Männer und Frauen freuen sich über ihre erhabenen Gedanken, doch wenn diese Gedanken nie in die Ebene der Taten kommen, bleiben sie zwecklos: die Macht des Denkens hängt von dessen Äußerung in Taten ab. Die Gedanken eines Philosophen mögen sich zwar in der Welt des Fortschritts und der Entwicklung in Handlungen anderer Menschen auswirken, auch wenn die Philosophen selber unfähig oder nicht bereit sind, ihre großen Ideale im eigenen Leben zu bekunden. Zu dieser Klasse gehört die Mehrzahl der Philosophen, da ihre Lehren hoch über ihren Taten stehen. Dies ist der Unterschied zwischen den Philosophen, die geistige Lehrer, und denen, die nur Philosophen sind: der geistige Lehrer ist der erste, der die eigenen Lehren befolgt; er bringt seine geistigen Begriffe und Ideale herab in die Welt des Handelns. Seine göttlichen Gedanken werden der Welt kund gemacht. Er selber ist sein Denken, von dem er nicht zu trennen ist. Wenn wir einen Philosophen finden, der die Bedeutung und Größe der Gerechtigkeit hervorhebt und dann einen raubgierigen Herrscher in seiner Unterdrückung und Gewalttätigkeit ermuntert, werden wir rasch erkennen, dass er zur ersten Klasse zählt, denn er denkt himmlische Gedanken und übt nicht die entsprechenden himmlischen Tugenden.
2:7
Dieser Zustand ist bei den geistigen Philosophen unmöglich, weil sie stets ihre hohen und edlen Gedanken in Taten äußern.
Gott ist der große barmherzige Arzt, Der allein die wahre Heilung bringt
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19. Oktober 1911
3:1
Alle wahre Heilung kommt von Gott! Es gibt zwei Ursachen der Krankheit, die eine ist materiell, die andere geistig. Wenn die Krankheit aus dem Körper kommt, so bedarf sie zur Heilung eines materiellen Mittels, kommt sie aus der Seele, so erfordert sie ein geistiges Mittel.
3:2
Nur wenn der himmlische Segen während der Heilung auf uns ruht, kann unsere Wiederherstellung erfolgen, denn Arzneien sind lediglich das äußere und sichtbare Mittel, durch das wir himmlische Heilung finden. Ehe nicht der Geist geheilt wird, ist die Behandlung des Körpers völlig wertlos. Alles ist in Gottes Hand, und ohne Ihn ist keine Gesundheit in uns möglich.
3:3
Es hat zahlreiche Menschen gegeben, die schließlich gerade an dem Übel gestorben sind, das sie besonders untersucht haben. Aristoteles z. B., der sich des Näheren mit der Verdauung befasst hat, starb an einem Magenleiden. Avicenna war Herzspezialist und starb an einer Herzkrankheit. Gott ist der große barmherzige Arzt, der allein die Macht zur wahren Heilung hat.
3:4
Alle Geschöpfe hängen von Gott ab, wie groß auch ihr Wissen, ihre Macht und ihre Unabhängigkeit erscheinen mögen.
3:5
Betrachtet die mächtigen Könige auf Erden, besitzen sie doch alle Macht der Welt, die ihnen der Mensch zu geben vermag, und doch müssen sie, wenn sie vom Tod gerufen werden, ebenso gehorchen wie die Bauern vor ihren Türen.
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