‘Abdu’l-Bahá | Ansprachen in Paris
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17:9
Der Heilige Geist ist das Licht der Sonne der Wahrheit, das durch seine unendliche Kraft der gesamten Menschheit Leben und Erleuchtung bringt, alle Seelen mit göttlichem Glanz überflutet und der ganzen Welt die Segnungen der Gnade Gottes übermittelt. Die Erde vermöchte ohne das Mittel der Sonnenwärme und des Sonnenlichtes keine Segnungen von der Sonne zu empfangen.
17:10
So ist auch der Heilige Geist die eigentliche Ursache des Lebens im Menschen. Ohne den Heiligen Geist besäße er keine Erkenntnisfähigkeit, wäre er nicht im Stande, sich die wissenschaftlichen Kenntnisse anzueignen, durch die er seinen großen Einfluss über den übrigen Schöpfungskreis gewinnt. Die Erleuchtung durch den Heiligen Geist verleiht dem Menschen die Macht des Denkens und gibt ihm die Möglichkeit, Entdeckungen zu machen, durch die er die Naturgesetze seinem Willen beugt.
17:11
Es ist der Heilige Geist, der durch die Vermittlung der Propheten Gottes den Menschen geistige Tugenden lehrt und ihn befähigt, ewiges Leben zu erlangen.
17:12
Alle diese Segnungen werden dem Menschen durch den Heiligen Geist verliehen. Deshalb können wir verstehen, dass der Heilige Geist der Mittler zwischen dem Schöpfer und dem Erschaffenen ist. Sonnenlicht und Hitze lassen die Erde fruchtbar werden, sie erwecken alles, was Wachstum hat, zum Leben, und der Heilige Geist erquickt die Seelen der Menschen.
17:13
Die beiden großen Apostel, Petrus und der Evangelist Johannes, waren ursprünglich schlichte Arbeiter, die sich um ihr tägliches Brot bemühten. Durch die Kraft des Heiligen Geistes wurden ihre Seelen erleuchtet, und sie empfingen die ewigen Segnungen des Herrn Christus.
Die beiden Naturen im Menschen
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1. November 1911
18:1
Heute ist in Paris ein Tag der Freude. Man begeht das Fest ›Aller Heiligen‹. Weshalb wohl meint ihr, dass man diese Menschen ›Heilige‹ genannt hat? Das Wort hat eine sehr greifbare Bedeutung. Ein Heiliger ist jemand, der ein Leben der Reinheit führt, jemand, der sich von aller menschlichen Schwäche und Unvollkommenheit befreit hat.
18:2
Im Menschen sind zwei Naturen: seine geistige oder höhere und seine materielle oder niedere Natur. In der einen nähert er sich Gott, wogegen er in der anderen nur für die Welt lebt. Von beiden Naturen finden sich im Menschen Zeichen. In seiner materiellen Art bringt er Lüge, Grausamkeit und Ungerechtigkeit zum Ausdruck, die alle seiner niederen Natur entspringen. Die Eigenschaften seiner göttlichen Natur erscheinen als Liebe, Erbarmen, Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit, und sie sind eine wie die andere Ausdruck seines höheren Wesens. Alles gute Gebaren, jeder edle Zug gehört der geistigen Natur des Menschen an, wogegen alle seine Unzulänglichkeiten und bösen Taten aus seiner materiellen Wesensart heraus geboren werden. Überwiegt bei einem Menschen die göttliche Natur gegenüber der menschlichen, so haben wir einen Heiligen.
18:3
Der Mensch hat die Kraft zum Guten wie auch zum Bösen. Wenn die Kraft zum Guten vorherrscht und seine Neigungen zum Unrechten überwunden werden, mag der Mensch mit Recht als Heiliger bezeichnet werden. Doch wenn er stattdessen das, was Gottes ist, verwirft und seine üblen Leidenschaften über sich siegen lässt, ist er nicht besser als die bloßen Tiere.
18:4
Heilige sind Menschen, die sich von der Welt des Stoffes freigemacht und die Sünde überwunden haben. Sie leben in der Welt, sind aber nicht von ihr, weil ihre Gedanken dauernd in der Welt des Geistes weilen. Sie verbringen ihr Leben in Heiligkeit, und ihre Taten zeigen Liebe, Gerechtigkeit und Frömmigkeit. Sie werden aus der Höhe erleuchtet und sind wie helle, scheinende Lampen in den dunklen Plätzen der Erde. Das sind die Heiligen Gottes. Die Apostel, die Jünger Christi, waren genau wie andere Menschen. Gleich den übrigen wurden sie durch die weltlichen Dinge angezogen, und jeder dachte nur an seinen eigenen Vorteil. Sie wussten nur wenig von Gerechtigkeit, und man fand bei ihnen keine göttlichen Vollkommenheiten. Als sie aber Christus anhingen und an Ihn glaubten, wich ihre Unwissenheit der Einsicht, die Härte wurde in Gerechtigkeit, die Unwahrheit in Wahrheit und die Dunkelheit in Licht verwandelt. Waren sie zuvor weltlich, wurden sie jetzt geistig und göttlich. Sie waren Kinder der Finsternis gewesen und wurden Gottessöhne, Heilige! Bemühet euch darum, ihren Fußstapfen zu folgen, indem ihr alles Weltliche zurücklasst und danach strebt, ins Geistige Reich zu gelangen.
18:5
Bittet Gott, dass Er euch in der göttlichen Tugend stärke, damit ihr in der Welt wie Engel und Flammenzeichen werdet und allen, die begreifenden Herzens sind, die Geheimnisse des Himmelreiches auftut.
18:6
Gott sandte Seine Propheten in die Welt, um den Menschen zu belehren und zu erleuchten, ihm das Geheimnis der Macht des Heiligen Geistes zu erklären und ihn zu befähigen, das Licht zu spiegeln, so dass er seinerseits zur Ursache der Rechtleitung für andere werde. Die Himmlischen Bücher, die Bibel, der Qur’án und die übrigen Heiligen Schriften wurden von Gott als Führer auf dem Pfad zu göttlicher Tugend, Liebe, Gerechtigkeit und Frieden dargeboten.
18:7
Darum sage ich euch: bemühet euch, die Ratschläge dieser gesegneten Bücher zu befolgen, und auf diese Weise euer Leben so zu ordnen, dass ihr getreu den gegebenen Beispielen zu Heiligen des Höchsten werdet!
Materieller und geistiger Fortschritt
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2. November 1911
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ʿAbdu’l-Bahá sprach:
19:1
Wie schön ist doch das Wetter heute, der Himmel ist klar, die Sonne strahlt, und das menschliche Herz wird froh dabei!
19:2
Durch ein so helles und schönes Wetter wird der Mensch belebt und neu gestärkt, und wenn er krank war, fühlt er im Herzen wieder freudige Genesungshoffnung. Alle diese Gaben der Natur betreffen den physischen Teil des Menschen, denn nur sein Körper kann stoffliche Segnungen empfangen.
19:3
Wenn ein Mensch in seinem Geschäft, in der Kunst oder sonst im Beruf Erfolg hat, so wird er dadurch in die Lage versetzt, sein physisches Wohlergehen zu heben und seinem Körper ein Maß von Annehmlichkeit und Wohlbehagen zu geben, bei dem er sich wohlfühlt. Wir sehen heute rings um uns, wie sich der Mensch mit aller neuzeitlichen Bequemlichkeit und Pracht umgibt und seiner physischen, materiellen Seite nichts versagt. Doch seid auf der Hut, dass ihr über der allzu starken Beachtung der körperlichen Angelegenheiten nicht die Bedürfnisse der Seele hintenan stellt, denn der materielle Gewinn vermag den Geist des Menschen nicht zu heben. Vervollkommnung in weltlichen Dingen bringt dem menschlichen Körper Freude, gereicht aber keineswegs der Seele zur Ehre.
19:4
Es mag geschehen, dass jemand, dem alle materiellen Vorteile zur Verfügung stehen und der in der größtmöglichen Behaglichkeit moderner Zivilisation lebt, doch aller wichtigen Gaben des Heiligen Geistes bar ist.
19:5
Gewiss ist materieller Fortschritt gut und lobenswert, doch sollen wir darüber nicht den wichtigeren geistigen Fortschritt außer Acht lassen und nicht die Augen für das göttliche Licht verschließen, das unter uns leuchtet.
19:6
Nur dadurch, dass wir im Geistigen sowohl als auch im Materiellen wachsen, können wir wirklich vorwärts kommen und vollkommene Wesen werden. Um der Übermittlung dieses geistigen Lebens und Lichtes willen sind alle großen Lehrer in der Welt erschienen. Sie kamen, damit die Sonne der Wahrheit sich offenbare und in den Menschenherzen leuchte, auf dass die Menschen durch ihre wundersame Macht zu ewigem Licht gelangen.
19:7
Als der Herr Christus kam, goss Er das Licht des Heiligen Geistes über alle aus, die um Ihn waren, und Seine Jünger und alle, die Sein Licht empfingen, wurden erleuchtete, geistige Wesen.
19:8
Es war um der Offenbarung dieses Lichtes willen, dass Bahá’u’lláh geboren wurde und in die Welt kam. Er lehrte die Menschen ewige Wahrheit und ergoss die Strahlen göttlichen Lichtes über alle Länder.
19:9
Seht indessen, wie der Mensch dieses Licht missachtet! Er schreitet noch immer auf seinem Weg der Finsternis weiter, und noch immer sehen wir Uneinigkeit, Zank und wilde Kriege.
19:10
Er benutzt den materiellen Fortschritt, um seine Kriegslust zu befriedigen, und schafft Zerstörungswerkzeuge und -mittel, um seinen Brudermenschen zu vernichten.
19:11
Wir aber wollen uns bemühen, geistigen Nutzen zu gewinnen, ist dies doch der einzige Weg des wahren Fortschritts, das, was von Gott herrührt und allein von Gott ist.
19:12
Ich bete für jeden von euch und für euch alle, dass euch die Gaben des Heiligen Geistes zufallen mögen. So werdet ihr wahrhaftig erleuchtet werden und euch immer vorwärts und empor zum Gottesreich entwickeln. Dann werden eure Herzen für den Empfang der Frohen Botschaften bereit und eure Augen aufgetan sein, so dass ihr Gottes Herrlichkeit erblickt. Eure Ohren werden hören, ihr werdet den Ruf des Königreichs vernehmen und mit gelöster Zunge den Menschen Gottes Macht und Liebe ins Bewusstsein rufen!
Die Entwicklung des Stoffes und die Entfaltung der Seele
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3. November 1911
20:1
In Paris beginnt es, kalt zu werden, so kalt, dass ich bald fortgehen muss; aber die Wärme eurer Liebe hält mich hier noch fest. Mit Gottes Willen hoffe ich, noch ein Weilchen unter euch zu sein. Physische Kälte und Hitze können nicht den Geist berühren, denn die Liebe Gottes gibt ihm Wärme. Wenn wir dies begreifen, fangen wir auch an, einen Begriff vom Leben in der nächsten Welt zu erhalten.
20:2
Gott hat uns in Seiner Freigebigkeit schon hier einen Vorgeschmack und gewisse Beweise für den Unterschied gegeben, der zwischen dem Körper, der Seele und dem Geist besteht.
20:3
Wir sehen, dass Kälte, Hitze, Leiden und so weiter nur den Körper betreffen. Der Geist wird nicht davon berührt.
20:4
Wie oft sehen wir Menschen, die arm, krank, elend angezogen, ohne Unterhalt und dennoch geistig stark sind. Was auch der Körper leiden mag, ihr Geist ist frei und wohlgemut. Und wiederum, wie oft sehen wir Reiche, physisch kräftig und gesund, und doch mit einer Seele, die todkrank ist.
20:5
Für den schauenden Sinn ist es ganz klar, dass der Geist des Menschen etwas ist, das sich sehr von seinem physischen Körper unterscheidet.
20:6
Der Geist ist unveränderlich, unzerstörbar. Der Fortschritt und die Entfaltung der Seele, ihre Freude und Sorge sind vom physischen Körper unabhängig.
20:7
Wenn ein Freund uns Freude oder Leid bereitet, wenn sich eine Liebe als echt oder falsch erweist, immer ist es die Seele, die berührt wird. Wenn unsere Lieben fern von uns sind – die Seele ist es, die sich grämt, und der Gram oder der seelische Kummer mag eine Auswirkung im Körper haben.
20:8
Wird daher der Geist mit heiligen Tugenden genährt, so ist der Körper freudig, fällt die Seele in Sünden, so liegt der Körper in Qualen.
20:9
Wenn wir Wahrheit, Beständigkeit, Treue und Liebe finden, sind wir glücklich, doch wenn wir auf Lüge, Treulosigkeit und Falschheit treffen, sind wir unglücklich.
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