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In der Theosophischen Gesellschaft in Paris40:0_53Seit meiner Ankunft in Paris habe ich viel von der Theosophischen Gesellschaft sprechen hören, und ich weiß, dass ihre Mitglieder hochgeachtete und angesehene Menschen sind. Ihr besitzt Verstand und Überlegung, hegt geistige Ideale, und es ist für mich eine große Freude, unter euch zu sein.40:1Lasst uns Gott danken, der uns am heutigen Abend hier versammelt hat. Es ist mir eine große Freude, denn ich sehe, dass ihr alle Wahrheitssucher seid. Ihr seid nicht durch die Bande des Vorurteils gefesselt, und eure größte Sehnsucht gilt der Wahrheit. Die Wahrheit lässt sich mit der Sonne vergleichen. Die Sonne ist der leuchtende Körper, der alle Schatten auflöst, und so löst auch die Wahrheit die Schatten unserer Einbildungen auf. Gleichwie die Sonne dem Körper der Menschheit Leben gibt, so gibt die Wahrheit ihren Seelen Leben. Die Wahrheit ist eine Sonne, die an verschiedenen Punkten des Horizontes aufgeht.40:2Manchmal erhebt sich die Sonne inmitten des Horizontes, dann wieder im Sommer weiter nach Norden und im Winter gegen Süden, doch immer ist es die gleiche Sonne, wie verschieden auch ihre Aufgangspunkte seien.40:3In gleicher Weise gibt es nur eine Wahrheit, obgleich sie in der Erscheinung sehr verschieden sein mag. Manche Menschen haben Augen und sehen. Sie verehren die Sonne, gleichviel, von welchem Punkt des Horizontes sie heraufsteigt, und wenn die Sonne den Winterhimmel verlassen hat, um am sommerlichen Himmel zu erscheinen, so wissen sie, wo sie sie wiederfinden. Dann wieder gibt es Menschen, die nur den Ort, an dem die Sonne aufgegangen ist, verehren, und geht sie in ihrer Pracht an einem anderen Orte auf, so verharren sie in Betrachtung vor dem Orte ihres früheren Aufgangs. Ach, diesen Menschen bleiben die Segnungen der Sonne vorenthalten! Wer in Wahrheit die Sonne selbst verehrt, wird sie erkennen, an welchem Aufgangsort sie auch erscheinen mag, und er wird sein Angesicht ihrem Glanz geradewegs entgegenheben.40:4Wir müssen die Sonne selbst und nicht nur ihren Erscheinungsort verehren. So verehren auch die Menschen, deren Herz erleuchtet ist, die Wahrheit, wo immer sie am Horizonte aufgeht. Sie sind durch keine Persönlichkeit gebunden, sondern folgen der Wahrheit und sind fähig, sie zu erkennen, gleichviel, woher sie kommen mag. Es ist die gleiche Wahrheit, die der Menschheit vorwärts hilft und allen Geschöpfen Leben gibt, denn sie ist der Baum des Lebens.40:5In Seinen Lehren erklärt uns Bahá’u’lláh die Wahrheit, und ich möchte kurz zu euch darüber sprechen, denn ich sehe, dass ihr Verständnis habt.40:6Das erste Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:6_54Die Suche nach Wahrheit.40:7Der Mensch muss sich von allen Vorurteilen und von den Ergebnissen seiner eigenen Einbildung trennen, so dass er zum ungehinderten Suchen nach Wahrheit fähig werde. Die Wahrheit ist eine in allen Religionen, und durch sie vermag die Einigkeit der Welt zur Tat zu werden.40:8Alle Völker haben die gleiche Glaubensgrundlage. Die Wahrheit ist nur eine und kann nicht geteilt werden, die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Nationen existieren, weil sie sich an Vorurteile klammern. Suchten die Menschen die Wahrheit, dann wären sie sich einig.40:9Das zweite Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:9_55Die Einheit der Menschheit.40:10Der eine alliebende Gott schenkt Seine göttliche Gnade und Gunst der ganzen Menschheit. Einer und alle sind Diener des Höchsten, und Seine Güte, Barmherzigkeit und Gnade ergießen sich über alle Seine Geschöpfe. Der Ruhm des Menschseins ist eines jeden Erbteil.40:11Alle Menschen sind die Blätter und Früchte des gleichen Baumes, sie alle sind Zweige des Baumes Adams und haben alle gleichen Ursprung. Der gleiche Regen ist auf alle herniedergegangen, die gleiche warme Sonne lässt sie wachsen, sie alle werden durch den gleichen Wind erfrischt Der einzige Unterschied, der in der Tat besteht und Trennung bringt, ist der, dass es Kinder gibt, die einer Führung bedürfen, Unwissende, die Belehrung und Kranke, die Pflege und Heilung brauchen. Darum sage ich, dass die ganze Menschheit in die Barmherzigkeit und Gnade Gottes eingetaucht ist, wie uns die Heiligen Schriften sagen: alle Menschen sind gleich vor Gott. Er sieht nicht die Person an.40:12Das dritte Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:12_56Religion sollte Liebe und Zuneigung hervorrufen.40:13Die Religion sollte alle Herzen vereinen und Krieg und Streitigkeiten auf der Erde vergehen lassen, Geistigkeit hervorrufen und jedem Herzen Licht und Leben bringen. Wenn die Religion zur Ursache von Abneigung, Hass und Spaltung wird, so wäre es besser, ohne sie zu sein, und sich von einer solchen Religion zurückzuziehen, wäre ein wahrhaft religiöser Schritt. Denn es ist klar, dass der Zweck des Heilmittels die Heilung ist, wenn aber das Heilmittel die Beschwerden nur verschlimmert, so sollte man es lieber lassen. Jede Religion, die nicht zu Liebe und Einigkeit führt, ist keine Religion. Die heiligen Propheten waren alle gleichsam Seelenärzte, sie gaben Rezepte, um die Menschheit zu heilen. Darum stammen alle Heilmittel, die zur Erkrankung führen, nicht vom großen und überragenden Arzte.40:14Das vierte Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:14_57Einheit von Religion und Wissenschaft.40:15Wir mögen die Wissenschaft als einen Flügel und die Religion als einen anderen Flügel betrachten. Der Vogel braucht zwei Flügel, um fliegen zu können, einer allein wäre zwecklos. Jede Form von Religion, die der Wissenschaft nicht entspricht oder sich zu ihr im Gegensatz befindet, ist gleichbedeutend mit Unwissenheit, denn Unwissenheit ist der Gegensatz von Wissen.40:16Eine Religion, die nur aus vorurteilsvollen Riten und Bräuchen besteht, ist nicht die Wahrheit. Lasst uns ernsthaft danach streben, zu Werkzeugen der Vereinigung von Religion und Wissenschaft zu werden.40:17‘Alí, der Schwiegersohn Muḥammads, sagte: »Was mit der Wissenschaft übereinstimmt, ist auch mit der Religion in Einklang.«
Was immer die Intelligenz des Menschen nicht zu begreifen vermag, sollte auch von der Religion nicht angenommen werden. Die Religion geht mit der Wissenschaft Hand in Hand, und jede Religion, die der Wissenschaft widerspricht, ist nicht die Wahrheit.40:18Das fünfte Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:18_58Vorurteile in Bezug auf Religion, Rasse oder Bekenntnis zerstören die Grundlagen der Menschheit.40:19Alle Spaltungen in der Welt, Hass, Krieg und Blutvergießen werden durch das eine oder andere dieser Vorurteile hervorgerufen.40:20Die ganze Welt muss als ein einziges Land betrachtet werden, alle Völker als ein Volk und alle Menschen als eine
Gattung Mensch. Religionen, Rassen und Nationen sind alle nur Trennungen, die der Mensch gemacht hat, und nur in seinem Denken nötig. Vor Gott gibt es weder Perser, noch Araber, Franzosen oder Engländer, denn Gott ist ihrer aller Gott, und für Ihn gibt es nur eine Schöpfung. Wir müssen Gott gehorchen und danach streben, Ihm zu folgen, indem wir alle unsere Vorurteile hinwegtun und der Erde Frieden bringen.40:21Das sechste Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:21_59Gleiche Daseinsmöglichkeiten.40:22Jedes menschliche Wesen hat das Recht zu leben, alle haben ein Anrecht auf Ruhe und auf ein gewisses Maß von Wohlstand. Wenn ein Reicher auf seinem Schloss in Üppigkeit und größter Behaglichkeit zu leben vermag, so sollte auch der Arme so viel erhalten können, dass er leben kann. Niemand dürfte Hungers sterben, jeder müsste ausreichende Kleidung haben. Es dürfte keiner im Überfluss leben, während andere keine Daseinsmöglichkeit besitzen.40:23Lasst uns mit unserer ganzen Kraft versuchen, bessere Verhältnisse zu schaffen, so dass keine einzige Seele hilflos ist.40:24Das siebente Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:24_60Gleichstellung der Menschen – Gleichheit vor dem Gesetz.40:25Das Gesetz muss herrschen und nicht der Einzelne. Dadurch wird die Welt zu einer Stätte der Schönheit werden und wahre Bruderschaft zustande kommen. Wenn die Menschen Zusammengehörigkeitsgefühl erlangt haben, werden sie die Wahrheit gefunden haben.40:26Das achte Prinzip Bahá’u’lláhs lautet:40:26_61Weltfrieden.40:27Die Völker und Regierungen aller Länder müssen einen obersten Gerichtshof wählen, in dem Mitglieder der einzelnen Länder und Regierungen in Einigkeit tagen. Alle Streitfragen sollen vor dieses Gericht gebracht werden, dessen Aufgabe die Verhütung von Kriegen ist.40:28Das neunte Prinzip Bahá’u’lláh lautet:40:28_62Dass sich die Religion nicht mit politischen Fragen befassen sollte.40:29Die Religion befasst sich mit geistigen Fragen, die Politik mit weltlichen Angelegenheiten. Die Religion hat es mit der Gedankenwelt zu tun, während das Gebiet der Politik zum Bereich der äußeren Gegebenheiten gehört.
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