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53:20Das Testament Bahá’u’lláhs ist ein Regen der Güte, eine Sonne der Wahrheit, Wasser des Lebens, der Heilige Geist. Darum öffnet eure Herzen, um die volle Kraft Seiner Schönheit zu empfangen, und ich will für euch alle beten, dass euch diese Freude zuteilwerde.53:21Nun sage ich: »Lebet wohl!«53:22Das sage ich aber nur zu eurem äußeren Sein. Ich sage es nicht zu euren Seelen, denn unsere Seelen sind immer beisammen.53:23Seid getröstet und dessen versichert, dass ich mich Tag und Nacht dem Abhá-Reich in Fürbitte für euch zuwenden werde, auf dass ihr Tag um Tag besser und heiliger werdet, näher zu Gott kommt und mehr und mehr durch den Strahl Seiner Liebe erleuchtet werdet.Teil 3Ansprache ‘Abdu’l-Bahás im Versammlungssaal der Freunde, St. Martin’s Lane, London W.C54:0_78Sonntag, 12. Januar 191354:1Vor etwa tausend Jahren wurde in Persien eine Gemeinschaft gegründet, welche sich Gesellschaft der Freunde nannte. Die ›Freunde‹ trafen sich zu stiller Begegnung mit dem Allmächtigen.54:2Sie gliederten die göttliche Philosophie in zwei Arten: Wissen der ersten Art kann durch Unterricht und Studium an Schulen und Universitäten erworben werden. Die zweite Art der Philosophie war die der Illuminaten oder Anhänger des inneren Lichts. Die Lehrstunden für diese Philosophie wurden in aller Stille abgehalten. Man meditierte und wandte das Angesicht der Quelle des Lichts zu; so strahlten von diesem Mittelpunkt des Lichts her die Geheimnisse des Reiches Gottes in den Herzen dieser Menschen wider. Alle theologischen Probleme wurden durch die Kraft der Erleuchtung erhellt.54:3Die Gesellschaft der Freunde wuchs stark in Persien, und bis zum heutigen Tage bestehen ihre Versammlungen. Ihre Führer schrieben viele Bücher und Episteln. Wenn sie sich in ihrem Versammlungshaus treffen, sitzen sie still in sich versunken da. Der Leiter beginnt mit einem bestimmten Vorschlag und sagt zu den Versammelten: ›Denkt über diese Frage nach!‹ Nachdem sie ihren Geist von allem anderen losgelöst haben, sitzen sie da, denken nach – und nach kurzer Zeit liegt die Antwort klar vor ihnen. Viele verworrene religiöse Fragen sind durch diese Erleuchtung gelöst worden.54:4Hier einige der großen Fragen, welche sich von den Sonnenstrahlen der Wahrheit auf das menschliche Gemüt ergießen: die Frage nach der Wirklichkeit der menschlichen Seele, nach dem Ursprung der Seele und ihrer Geburt aus dieser Welt in die Welt Gottes, die Frage nach dem Eigenleben der Seele und ihrem Schicksal nach ihrer Trennung vom Körper.54:5Ebenso denken sie über wissenschaftliche Tagesfragen nach und lösen diese auf gleiche Weise.54:6Diese Menschen, welche sich ›Anhänger des inneren Lichtes‹ nennen, erreichen ein Höchstmaß an Macht und befreien sich völlig von blinden Dogmen und Nachahmungen. Ihre Mitmenschen verlassen sich auf ihre Erklärungen: Durch sich selbst und in sich ergründen sie alle Geheimnisse.54:7Wenn sie mit Hilfe des inneren Lichtes eine Lösung finden, nehmen sie diese an, und erklären sie dann; andernfalls liefe es ihrer Überzeugung nach auf blinde Nachahmung hinaus. Sie gehen so weit, über die Natur und das Wesen des Göttlichen, der göttlichen Offenbarung, des Offenbarwerdens der Gottheit in dieser Welt nachzudenken. Alle religiösen und wissenschaftlichen Fragen werden von ihnen durch die Macht des Geistes gelöst.54:8Bahá’u’lláh sagt, dass in jedem Phänomen ein Zeichen (von Gott) zu finden ist: Das Zeichen des Verstandes ist Kontemplation, und das Zeichen der Kontemplation ist Stille; denn kein Mensch ist imstande, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Er kann nicht zugleich sprechen und meditieren.54:9Es ist eine Grundtatsache, dass man während des Meditierens mit der eigenen Seele spricht. In diesem Gemütszustand kann man an seine Seele bestimmte Fragen richten, und die Seele gibt Antwort: Das Licht bricht hervor, und die Wirklichkeit enthüllt sich.54:10Man kann die Bezeichnung ›Mensch‹ keinem Wesen geben, welches diese Fähigkeit der Meditation nicht besitzt. Ohne sie wäre der Mensch ein rein animalisches Wesen, niederer als die wilden Tiere.54:11Durch die Fähigkeit zu meditieren erlangt der Mensch das ewige Leben. Durch sie empfängt er den Odem des Heiligen Geistes, dessen Gnadengaben sich in Überlegung und Betrachtung kundtun.54:12Während der Meditation wird die Seele des Menschen unterrichtet und gestärkt, durch Meditation entfalten sich vor seinem Auge Dinge, von denen er zuvor nichts wusste. Durch Meditation erfährt er göttliche Eingebung, durch sie empfängt er himmlische Nahrung.54:13Meditation ist der Schlüssel zu den Toren der Geheimnisse. In diesem Zustand abstrahiert sich der Mensch: Er zieht sich von allen außenstehenden Objekten zurück; in dieser subjektiven Haltung versinkt er im Ozean geistigen Lebens und kann die Geheimnisse der Dinge an sich enthüllen. Um dies zu erläutern, muss man sich den Menschen als ein Wesen vorstellen, das mit zweierlei Sehvermögen begabt ist. Wenn die Kraft des inneren Auges gebraucht wird, kann das äußere nicht sehen.54:14Die Fähigkeit zu meditieren befreit den Menschen von der animalischen Natur, geht der Wirklichkeit der Dinge auf den Grund und verbindet den Menschen mit Gott.54:15Künste und Wissenschaften bringt diese Fähigkeit aus dem Bereich des Unsichtbaren hervor. Erfindungen werden durch sie ermöglicht, gewaltige Unternehmungen ins Leben gerufen. Durch sie können Regierungen reibungslos ihren Aufgaben nachkommen. Durch diese Fähigkeit findet der Mensch Zugang zum Reiche Gottes.54:16Es gibt Gedanken, die für den Menschen nutzlos sind: Sie gleichen Meereswogen, welche branden, ohne dass etwas geschieht. Aber wenn die Fähigkeit des Meditierens vom inneren Licht durchdrungen und mit göttlichen Attributen gekennzeichnet ist, werden die Ergebnisse Bestätigung finden.54:17Meditation gleicht einem Spiegel; stellt man ihn vor irdische Gegenstände, wird er diese widerspiegeln. Denkt daher der menschliche Geist über irdische Dinge nach, so erhält er von diesen Kenntnis.54:18Aber wenn ihr den Spiegel eurer Seelen gen Himmel wendet, werden himmlische Bildnisse und die Strahlen der Sonne der Wirklichkeit aus euren Herzen wiedergegeben und zurückgestrahlt, und ihr erlangt die Tugenden des Gottesreiches.54:19Deshalb wollen wir diese Fähigkeit auf die richtige Bahn lenken: zur himmlischen Sonne, nicht zu irdischen Dingen, – auf dass wir die Geheimnisse des Reiches Gottes entdecken und die biblischen Gleichnisse, die Mysterien des Geistes begreifen.54:20Lasst uns zu Spiegeln werden, welche die himmlische Wirklichkeit ausstrahlen, so rein, dass die Sterne des Himmels aus uns leuchten.Über das Gebet55:0_7997 Cadogan Gardens, London, 26. Dezember 191255:1Frage: ́»Sollte Gebet die Form praktischen Handelns annehmen?«55:2Antwort: »Ja. In der Bahá’í-Religion werden Künste, Wissenschaften und Handwerk als Gottesdienst angesehen. Jemand, der ein Blatt Papier herstellt, gewissenhaft und so gut er kann, der all seine Kräfte auf die Vervollkommnung dieses Papiers verwendet, der preist damit Gott. Kurz, jede Mühe und Anstrengung, die der Mensch mit der ganzen Kraft seines Herzens unternimmt, ist Gottesdienst, sofern es die hehrsten Motive sind und der Wunsch, der Menschheit zu dienen, die ihn antreiben. Gott zu dienen heißt: der Menschheit dienen und sich der Nöte der Menschen annehmen. Dienen ist Gebet. Ein Arzt, der sich voll Sanftmut und Mitgefühl, vorurteilslos und im Glauben an die Zusammengehörigkeit aller Menschen der Kranken annimmt, preist damit Gott.«55:3Frage: »Was ist der Sinn unseres Daseins?«55:4Antwort: »Vollkommenheiten zu erwerben. Wir stammen aus der Erde. Warum sind wir vom Mineralreich ins Pflanzenreich übergegangen und vom Pflanzenreich ins Tierreich? Damit wir in jedem dieser Reiche Vollkommenheit erreichen, damit wir uns die besten Eigenschaften der Mineralstoffe aneignen, damit wir die Kraft des Wachstums, wie sie die Natur der Pflanze ausmacht, zu unserer Natur machen, damit wir uns mit den Instinkten der Tierwelt schmücken und über die Kräfte des Sehens, Hörens, Riechens, Tastens und Schmeckens verfügen – bis wir uns aus dem Tierreich ins Menschenreich erheben, wo uns Verstand, Erfindungskraft und die Kräfte des Geistes geschenkt sind.«Über das Böse56:1Frage: »Was ist das Böse?«56:2Antwort: »Das Böse ist die Unvollkommenheit. Sünde ist der Zustand des Menschen in der Welt der niederen Natur, denn in der Natur gibt es Makel wie Ungerechtigkeit, Gewaltherrschaft, Hass, Feindseligkeit und Streit – solches sind die Merkmale der niederen Natur. Dieses sind die Sünden der Welt, die Früchte des Baumes, von dem Adam kostete. Durch Erziehung müssen wir uns von diesen Unvollkommenheiten befreien. Die Propheten Gottes wurden hernieder gesandt und die Heiligen Bücher geschrieben, damit der Mensch befreit werde. So wie der Mensch aus dem Schoße seiner irdischen Mutter in diese Welt der Unvollkommenheit geboren wurde, wird er durch göttliche Erziehung in die geistige Welt hineingeboren. Wird ein Mensch in die Welt der äußeren Erscheinungen geboren, entdeckt er das Universum, wird er aber aus dieser Welt in die geistige Welt geboren, entdeckt er das Himmelreich.«Der Fortschritt der Seele57:1Frage: »Schreitet die Seele in dieser Welt eher durch Leid oder durch Freude fort?«57:2Antwort: »Seele und Geist des Menschen schreiten fort, wenn er von Leid heimgesucht wird. Je tiefer der Boden gepflügt wird, desto besser wird der Same sprießen und umso reicher die Ernte ausfallen. So wie der Pflug eine tiefe Furche zieht und die Erde von Unkraut und Disteln säubert, so reinigen Leid und Trübsal den Menschen von den Belanglosigkeiten dieses irdischen Lebens, bis er den Zustand völliger Loslösung erreicht. Sein Lebensgefühl hienieden wird dann von göttlicher Glückseligkeit geprägt sein. Man könnte sagen, der Mensch ist unreif; die Hitze des Leidensfeuers wird ihn reifen lassen. Blickt zurück in die Vergangenheit, und ihr werdet sehen, dass die größten Menschen am meisten gelitten haben.« 57:3Frage: »Sollte demnach jemand, der durch Leiderfahrung eine höhere Entwicklungsstufe erreicht hat, Freude fürchten?«
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