Bahá’u’lláh | Sieben Täler – Vier Täler
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Zahllose Opfer fängt die Liebe in ihren Schlingen, und unzählige Weise werden durch ihre Pfeile verwundet. Alles Rot in der Welt rechne ihrem Zorn zu und alle Blässe in den Gesichtern der Menschen ihrem Gifte. Sie kennt keine andere Heilung als den Tod und keine andere Zuflucht als im Tal des Nichtseins. Und dennoch ist dem Liebenden ihr Gift süßer als Honig und dem Suchenden das Nichtsein, das sie verursacht, erwünschter als hunderttausendfältiges Leben.
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Darum muß das Feuer der Liebe die Schleier des teuflischen Selbstes verbrennen, damit der Geist geläutert und rein sei und die Stufe des Herrn der Welten erkenne.
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»Entfach’ das Feuer der Liebe und verbrenne alle Dinge,
dann geh in der Liebenden Land ein«.Aus einem religiösen Gedicht Bahá’u’lláhs
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Ist der Liebende durch Gottes Beistand den Krallen des Adlers der Liebe entronnen, so gelangt er in das
Tal der Erkenntnis,
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und er wird vom Zweifel zur Gewißheit, vom Dunkel der Täuschung zum Lichte der Führung in der Gottesfurcht kommen. Er wird mit dem Auge des inneren Schauens sehen und in vertraute Zwiesprache mit seinem Geliebten treten. Er wird die Pforte der Wahrheit und Ehrfurcht öffnen und die Türen der eitlen Einbildungen schließen. In diesem Zustand wird er sich dem Ratschluß Gottes ergeben, im Krieg den Frieden erblicken und im Tod die Geheimnisse ewigen Lebens erkennen. Mit den inneren und äußeren Augen sieht er die Geheimnisse der Auferstehung im Bereich der Schöpfung und in den Seelen der Menschen, und ein reines Herz läßt ihn die ewige Weisheit in den unendlichen Offenbarungen Gottes erfühlen. Im Meer erblickt er gleichsam einen Tropfen und in einem Tropfen das Geheimnis des Meeres:
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»Spalte den Kern des Atoms auf,
so findest du eine Sonne darin«.Mystischer persischer Vers.
Q
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In diesem Tal sieht der Wanderer in Gottes Werk nichts als deutliche Schickung, und immerzu muß er rufen: »Es gibt keinen Makel in des barmherzigen Gottes Schöpfung. Schau nur um dich, ob du den mindesten Fehler siehst!«Qur’án 67:3.Q Er wird die Gerechtigkeit in der Ungerechtigkeit und die Gnade in der Gerechtigkeit schauen, manche Erkenntnis sehen, die in der Unwissenheit schlummert, und in der Erkenntnis hunderttausendfache Weisheit erblicken. Er zerbricht den Käfig des Körpers und der Leidenschaften und verbindet sich mit den Bewohnern des unsterblichen Reiches. Er steigt auf den Stufen der inneren Wahrheit empor und eilt zu den Himmeln der inneren Bedeutung. Er schifft sich in die Arche des: »Wir werden ihnen Unser Zeichen in der Welt und in ihnen selber weisen«Qur’án 41:53.Q ein, und er fährt über das Meer des »bis daß ihnen offenbar wird, daß dies (d. h. das Buch) die Wahrheit ist«Qur’án 41:53.Q. Wenn ihn Ungerechtigkeit trifft, so ist er geduldig, ist er das Opfer des Zorns, so vergilt er mit Liebe.
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Es wird erzählt, wie ein liebender Mann durch lange Jahre hindurch unter den Qualen der Trennung von der Geliebten gelitten hatte und vom Feuer des Fernseins verzehrt ward. Durch die Gewalt der Liebe wurde sein Herz der Geduld bar und sein Körper des Lebens müde. Leben ohne sie schien ihm Blendwerk, und die Zeit begann, ihn zu verzehren. Wie viele Tage verbrachte er ruhelos in Sehnsucht nach ihr, und in wie vielen Nächten floh ihn der Schlaf in seinem Schmerz nach ihr. So wurde sein Körper zum Seufzer, und die Wundheit seines Herzens machte ihn zum Wehlaut. Vergebens hätte er tausend Leben verschenkt, um nur einen Tropfen vom Wein ihrer Gegenwart zu kosten; aber es gelang ihm nicht. Kein Arzt vermochte ihn zu heilen, und seine Nähe wurde von den Freunden gemieden. Ärzte kennen kein Mittel, um Liebe zu heilen, nur die Hand der Geliebten vermag ihm zu helfen.
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Schließlich trieb der Baum seiner Sehnsucht die Frucht der Verzweiflung, und das Feuer seiner Hoffnung erstarb in der Asche, so daß er eines Abends lebensmüde sein Haus verließ und die Straße hinauszog. Plötzlich gewahrte er, wie ihn eine Nachtwache verfolgte. Er versuchte zu fliehen, doch die Wache eilte ihm nach, und es wurden ihrer viele, so daß ihm am Ende jeder Ausweg verstellt war. Gehetzt schrie er auf, lief ohne Ziel hin und her und stöhnte: »Gewiß ist diese Wache ‘Izrá’íl, mein Engel des Todes, daß sie sich so eilt, mich zu packen, oder es ist ein Menschenschinder, der nach mir greift.« So kam dieser weidwunde Liebende mit Füßen, die liefen, und einem Herzen, das ächzte, bis an die Mauer eines Gartens, die er mit größter Mühe erklomm. Aber oben angelangt, erkannte er ihre schwindelnde Höhe und stürzte sich, sein Leben nicht achtend, hinab in den Garten.
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Doch siehe, welch ein Anblick! Dort war seine Geliebte, eine Lampe in der Hand, einen Ring suchend, den sie verloren hatte. Und als er, der sein Herz verloren, sie, die es ihm geraubt hatte, ansah, entrang sich ihm ein Seufzer der Erlösung, und er rief, die Hände zum Himmel erhoben: »O Gott, gib der Wache Ruhm, Reichtum und langes Leben, denn sicher war sie der Engel Gabriel, der mich geführt hat, oder Isráfíl, der Engel des Lebens, der mich, den Gequälten, erquickte.«
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Dieser Mann hatte recht, denn wieviel Gerechtigkeit und Erbarmen waren in der scheinbaren Grausamkeit jener Wache verborgen! In ihrem Grimm hatte sie den in der Wüste der Liebe Verdurstenden zum Meere der Geliebten geführt und die Finsternis der Trennung durch das Licht des Wiedersehens vertrieben. Sie hatte den Entfernten in den Garten der Nähe und die leidende Seele zum Arzte des Herzens geleitet.
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Hätte der Liebende im voraus den Ausgang gesehen, so hätte er von Anfang an die Wache gesegnet und für sie gebetet, in ihrer Grausamkeit die Gerechtigkeit erkennend; doch da er das Ende nicht absah, begann er von Anfang an zu klagen und zu weinen. Die Wanderer aber in den Gärten der Erkenntnis sehen das Ende im Beginn und darum den Frieden im Krieg und die Freundlichkeit im Zorn.
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Dies ist der Zustand derer, die in diesem Tal sind. Was indessen die Wanderer in den höheren Tälern betrifft, so machen sie keinen Unterschied mehr zwischen Anfang und Ende, sie sehen weder Anfang noch Ende, weder »Erstes« noch »Letztes«Qur’án 57:3.Q, ja, die, die in der Stadt der Ewigkeit in dem grünenden Garten wohnen, sehen nicht einmal das »weder Erstes noch Letztes«. Überall fliehen sie das »Erste« und bekämpfen das »Letzte«, sind sie doch durch die Reiche der Namen gewandert und haben die Welten der Eigenschaften durchmessen mit der Schnelle des Blitzes. Wie die Überlieferung sagt: »Die wahre Göttliche Einheit kennt keinerlei Eigenschaften«Wird ‘Alí zugeschrieben.Q. Sie wohnen unter dem Schatten der Wesenheit Gottes.
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Es ist so, wie Khájih ‘Abdu’lláh Shaykh Abú-Ismá‘íl-‘Abdu’lláh Anṣárí aus Hirát (1006–1088), Ṣúfí-Führer und Nachkomme von Muḥammads Begleiter Abú-Ayyúb. Verfasser der Munáját (Bittgebete) und der Rubá‘íyyát (vierzeilige Strophen). ›Anṣár‹ bedeutet ›Helfer‹ oder Begleiter Muḥammads in Medina.A – Gott heilige seinen herrlichen Geist – in seiner feinsinnigen, beredten Erklärung des Verses: »Zeige uns den richtigen Weg«Qur’án 1:6.Q gesagt hat: »Zeige uns den richtigen Weg, heißt, ehre uns mit der Liebe Deiner Wesenheit, so daß wir von jedem Gedanken an uns und an alles andere außer Dir befreit und von Dir allein erfüllt sind, nichts kennen als Dich, nichts sehen als Dich und an nichts denken außer an Dich.«
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Nein, sie erheben sich sogar über diese Stufe hinaus, denn es heißt:
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»Liebe ist ein Schleier zwischen dem Liebenden und dem Geliebten.
Mehr darf ich nicht sagen«.Rúmí, Mathnaví 27.
Q
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In dieser Stunde ist der Morgen der Erkenntnis emporgestiegen, und die Wanderlampen verlöschen: »Lösch die Lampe, wenn die Sonne erschienen ist« (‘Alí) – Die Sonne bezieht sich auf den Offenbarer Gottes am neuen Tag. Eine Warnung, keinen menschlichen Führern zu folgen, wenn der Tag des göttlichen Offenbarers erschienen ist. Nach der Ṣúfí-Lehre erfolgt die mystische Wanderung und Suche nach der Wahrheit unter der Führung des ›Lichtes‹, d. h. der Ṣúfí-Führer.A
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»Durch Schleier davon getrennt war Moses
trotz all Seiner Kraft und Seinem Licht.
Du, der du gar keine Schwingen hast,
versuch nicht zu fliegen«.Rúmí, Mathnaví
Q
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Bist du ein Mensch der Einkehr und des Gebetes, dann fliege auf mit den Flügeln des Beistandes heiliger Seelen, um die Geheimnisse des Freundes zu sehen und zum Lichte des Geliebten zu gelangen. »Wahrlich, wir kommen von Gott, und zu Ihm kehren wir zurück«Qur’án 2:156 .Q.
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Wenn der Wanderer das Tal der Erkenntnis durchmessen hat, das das letzte begrenzte Land ist, so gelangt er zum
Tal der Einheit.
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Er wird aus dem Kelch des Unumschränkten trinken und auf die Offenbarungen der Einheit schauen. Auf dieser Stufe zerreißt er die Schleier der Vielfältigkeit und fliegt aus der Welt der Leidenschaften empor zum Himmel der Einzigkeit. Er wird mit göttlichen Ohren hören und mit göttlichen Augen die Geheimnisse der ewigen Schöpfung schauen. Er tritt in die verborgenen Gemächer des Freundes ein und wird zum Vertrauten im Zelte des Geliebten. Er streckt die Hand der Wahrheit aus dem Mantel des Unumschränkten hervor und zeigt das Geheimnis der Macht auf. Sich selbst rechnet er weder Namen noch Ruhm oder Rang zu, denn er erkennt, daß sein eigenes Lob in Gottes Lob ist und sein eigener Name im Namen des Wahrhaftigen. In allen Stimmen hört er die Stimme des Herrn und in »allen Gesängen Gottes Gesänge«Rúmí, Mathnaví.Q. Er sitzt auf dem Thron des »Sprich: es kommt alles von Gott«Qur’án 4:78.Q und ruht auf dem Teppich des »Es gibt keine Kraft und keine Macht außer durch Gott«Qur’án 18:39.Q. Alles erblickt er mit dem Auge der Einheit und erkennt, daß die schimmernden Strahlen der Göttlichen Sonne alles, was ist, vom Aufgangsort der Wirklichkeit her gleicherweise bescheinen, und daß das Licht der Einzigkeit alle Geschöpfe erleuchtet.
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Du weißt, daß alle Mannigfaltigkeit, die der Wanderer auf seiner Fahrt in der Erscheinungswelt sieht, allein in ihm selbst liegt. Zum klaren Verständnis nennen wir dir folgende Beispiele: Schau, wie die sichtbare Sonne alles Erschaffene durch den Willen des Königs der Offenbarung mit dem nämlichen Licht beleuchtet und doch an jedem Ort verschieden erscheint und ihr Licht so gibt, wie es durch die Eigenart des empfangenden Ortes bedingt ist. So erscheint sie im Spiegel, seiner Empfänglichkeit entsprechend, als Scheibe, im Kristall läßt sie Feuer erscheinen, während aus anderen Dingen nur ihre Wirkung und nicht ihre Scheibe zurückstrahlt. Und durch diese Wirkung bildet sie, wie du siehst, auf Befehl des Schöpfers alles gemäß seiner besonderen Beschaffenheit.
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So erscheint auch die Farbe des Lichtes verschieden, je nachdem, wo es hinfällt: zum Beispiel erscheinen die Strahlen durch ein gelbes Lampenglas gelb, durch ein weißes weiß, durch ein rotes rot. Die Mannigfaltigkeit kommt nicht durch das Licht, sondern durch den Ort, auf den es trifft, und wenn der Ort ihm durch irgendein Hemmnis, eine Mauer oder ein Hausdach verwehrt ist, so bleibt er des Glanzes benommen, und die Sonne kann nicht dorthin scheinen.
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So erklärt es sich, daß auch manche schwache Seele der Sonne der geistigen Bedeutung und der Geheimnisse des ewigen Geliebten beraubt ist, da sie den Boden der Erkenntnis mit der Mauer des Ichs und des Begehrens und durch die Schleier der Achtlosigkeit und Blindheit begrenzt hat. So wird sie ferngehalten von den Juwelen der Weisheit und der offenbaren Religion des Herrn der Boten und vom Eingang zum Heiligtum der Erhabenen Schönheit und von der Ka‘bahDas Heiligtum in Mekka. Hier in der Bedeutung von ›Ziel‹.A der Herrlichkeit. Dies ist der Zustand der heutigen Menschen.
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Und wenn sich eine NachtigallDies bezieht sich auf Bahá’u’lláhs eigene Offenbarung.A über den Staub des niederen Selbstes aufschwingen würde, um in den Zweigen des Rosenbusches des Herzens zu wohnen, und sie die Geheimnisse Gottes in arabischen Weisen und lieblichen persischen Liedern verkünden würde, von denen ein einziges Wort die Toten zum Leben zurückbringt und über die ausgedörrten Gebeine den Heiligen Geist gießt, so würdest du sehen, wie tausend Krallen des Neides und aber tausend Schnäbel des Hasses sie zu erjagen und mit aller Macht zu vernichten bestrebt sind.
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Ja, Wohlgerüche erscheinen dem Käfer übelriechend, und wem der Schnupfen den Geruch nimmt, den wird der Duft nicht berühren. Darum heißt es, den Unwissenden zur Leitung:
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»Heil’ dir den Kopf und die Nase von Schnupfen,
damit du den Dufthauch Gottes verspürst«.Rúmí, Mathnaví .
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So kannst du den Unterschied in den Dingen verstehen. Wenn der Wanderer nur auf den Ort der Erscheinung achtet, wenn er gleichsam die verschiedenfarbigen Gläser anschaut, dann sieht er gelb, rot und weiß. Durch eine solche Art der Betrachtung ist die Menschheit ins Streiten geraten, und die Welt wurde von trübendem Staub umzogen, den menschliche Enge emporgeweht hat. Andere sehen die Strahlen des Lichtes, während die dritten, die vom Wein der Einheit getrunken haben, nichts als die Sonne selber schauen.
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Weil nun die Wanderer in diesen drei verschiedenen Höhen dahinziehen, sind ihr Erkennen und ihre Benennung der Dinge verschieden, und so kommen fortgesetzt Gegensätze in die Welt. Einige weilen auf der Höhe der Einheit und sprechen von jener Welt, andere befinden sich in den Welten der Begrenzung und andere im Lande des Ichs, und wieder andere sind völlig von Schleiern umgeben. So erklärt es sich, daß die Unwissenden dieser Tage, die keinen Anteil am Glanz der Göttlichen Schönheit haben, mancherlei Ansprüche erheben und in jedem Zeitalter das Volk des Meeres der Einheit behandeln, wie sie selber behandelt zu werden verdienten. »Wenn Gott die Menschen für ihre Verderbtheiten strafte, so würde sich nichts auf der Erde mehr regen. Doch Er gibt ihnen Frist bis zu einem Tag, der bestimmt ist«Qur’án 16:61.Q.
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O mein Bruder! Ein reines Herz ist wie ein Spiegel, mache ihn durch Liebe und Loslösung rein von allem außer Gott, auf daß sich die wahre Sonne darin spiegeln und der ewige Morgen emporsteigen möge. Dann wirst du klar den Sinn des Verses verstehen: »Weder Meine Erde noch Mein Himmel vermögen Mich zu fassen, aber im Herzen Meiner getreuen Diener ist Meine Wohnung«Ḥadíth d. h. Ausspruch oder Tat, die von Muḥammad oder einem der heiligen Imáme überliefert wurden. [Gelten z. T. im sunnítischen Islám neben dem Qur’án als kanonische Texte].Q. Und so wirst du dein Leben in die Hand nehmen und es mit unendlicher Sehnsucht dem neuen Geliebten zu Füßen legen.
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Wann immer die Strahlen der Offenbarung des Königs der Einheit auf den Thron des Herzens und der Seele des Menschen fallen, werden sie in allen Gliedern des Körpers sichtbar werden, und jener bekannte Vers wird seinen verborgenen Sinn bekunden: »Ein Diener nähert sich Mir im Gebet, bis Ich ihm Antwort gewähre, und wenn Ich ihm Antwort gewährt habe, dann werde Ich das Ohr, womit er hört …« Denn der Herr des Hauses ist in Seinem Hause erschienen, und alle Säulen darin erstrahlen in Seinem Lichte. Des Lichtes Wirkung und Kraft kommen vom Spender des Lichtes her, darum bewegt sich alles durch Ihn und erhebt sich nach Seinem Willen. Dies ist die Quelle, daraus jene trinken, die Gott nahe sind, wie es geschrieben steht: »Eine Quelle, aus der jene sich laben, die Gott nahe sind«Qur’án 83:28.Q.
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Man muß sich hüten, diesen Erklärungen die Deutung einer Vermenschlichung Gottes zu geben oder darin einen Abstieg der Welten Gottes auf die Ebene der Geschöpfe zu sehen. Auch du solltest dich nicht zu solchen Annahmen verleiten lassen, denn Er ist in Seinem Wesen erhaben über Aufstieg und Abstieg, Eintritt und Austritt. Stets war und ist Er frei von den Eigenschaften der Menschen. Niemand hat Ihn jemals begriffen, und keine Seele kann Sein Wesen je erfassen; alle Weisheit der Mystik wird zum Irrtum im Tal Seiner Erkenntnis, und alle Heiligen werden verwirrt, wenn sie Sein Wesen begreifen wollen. Heilig ist Er über allem Verstehen der Verständnisbegabten und erhaben über das Erkennen der Weisen. »Der Weg (zur Erkenntnis Seines Wesens) ist versperrt und das Suchen verworfen. Sein Zeugnis sind Seine Zeichen und Sein Sein ist Sein Beweis.«Aus einer Predigt ‘Alís.Q
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So haben denn die, die das Angesicht des Geliebten verehren, gesagt: »O Du, Dessen Wesen allein zu Deinem Wesen hinführt und Der über alle Vergleiche mit Seinen Geschöpfen geheiligt ist!«Ḥadíth .Q Wie kann völliges Nichts neben dem, was von Ewigkeit her ist, bestehen, wie sich der sterbliche Schatten mit der ewigen Sonne vergleichen? Der FreundName für Muḥammad.A hat gesagt: »Ohne Dich hätten wir Dich nicht zu erkennen vermocht«Muḥammad, Ḥadíth – Anm. d. Hrsg.Q, und der Geliebte hat gesprochen: »und wären wir nicht zu Dir vorgedrungen.«Muḥammad, Ḥadíth – Anm. d. Hrsg.Q
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Diese Erklärungen für die Stufen der Erkenntnis beziehen sich einzig auf die Erkenntnis der Offenbarungen jener Sonne der Wirklichkeit, die ihr Licht auf die Spiegel wirft. Der Abglanz dieses Lichtes ist in den Herzen, aber er wird verdeckt durch die Schleier der Sinne und die Gegebenheiten des irdischen Daseins wie eine Kerze in einer eisernen Glocke, und nur wenn man die Glocke entfernt, wird das Licht darunter erscheinen.
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In gleicher Weise wird dir das Licht der Einheit erstrahlen, wenn du die Hüllen der Einbildung vom Herzen hinwegnimmst.
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So ergibt sich, daß auch die Strahlen weder Eintritt noch Austritt haben, wieviel weniger dann das Wesen des Seins und das ersehnte Geheimnis. O mein Bruder! Denke über diese Stufe im Geiste des Suchens nach, anstatt blindlings der Meinung anderer zu folgen. Drohende Menschenworte dürfen den Wanderer nicht schrecken, noch darf ihn begriffliche Willkür in seinem Fortschritt behindern.
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»Wie kann ein Vorhang Geliebte von Liebendem trennen?
Selbst Alexanders Mauer ist für sie keine Schranke«.Shamsu’d-Dín Muḥammad Ḥáfiẓ aus Shíráz (1320–90). Verfasser unübertroffener mystischer Gedichte in der Ghaselenform.
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Geheimnisse gibt es viele, aber Unwissende unzählige. Bücher reichen nicht aus, um des Geliebten Geheimnis zu fassen, noch können es diese Seiten erschöpfen, und wäre es auch nur ein Wort, nur ein einziges Zeichen.»Erkenntnis ist nur ein einziger Punkt, durch die Unwissenden aber wird er vervielfacht«Ḥadíth .Q.
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