‘Abdu’l-Bahá | ‘Abdu’l-Bahá in London
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‘Abdu’l-Bahá
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‘Abdu’l-Bahá in London
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Ansprachen und Gesprächsnotizen
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Erster Besuch ‘Abdu’l-Bahás in Großbritannien vom 4. September bis zum 3. Oktober 1911Öffentliche AnsprachenCity Temple: Einführung
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Am 10. September, dem ersten Sonntag nach ‘Abdu’l-Bahás Ankunft in England, sprach Er auf besonderen Wunsch des Pastors, Reverend R. J. Campbell, von der Kanzel des City Temple zu der zum Abendgottesdienst versammelten Gemeinde.
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Obwohl man ‘Abdu’l-Bahás Kommen nicht bekannt gegeben hatte, war die Kirche bis zum letzten Platz besetzt. Kaum einer der Anwesenden wird jemals die ehrwürdige Gestalt vergessen, die in ihrem orientalischen Gewand die Stufen zur Kanzel hinaufstieg, um zum ersten Mal in ihrem Leben das Wort an eine öffentliche Versammlung zu richten. Dass dies an einem christlichen Andachtsort im Westen geschah, ist schon an sich von tiefer Bedeutung. Mr. Campbell stellte den Besucher mit einigen schlichten Worten vor, indem er sagte: »Wir als die Anhänger des Herrn Jesus Christus, der für uns das Licht der Welt ist und immer sein wird, betrachten jede Bewegung des Geistes Gottes im Leben der Menschheit mit Wohlwollen und Hochachtung, und daher begrüßen wir ‘Abdu’l-Bahá im Namen aller, die am Geist unseres Herrn teilhaben und versuchen, in diesem Geiste zu leben. Die Bahá’í-Bewegung ist mit dem geistigen Ziel des Christentums sehr eng verwandt, ich möchte fast sagen identisch.«
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Bevor ‘Abdu’l-Bahá die Kirche verließ, schrieb Er in die von Priestern seit Generationen benutzte alte Bibel folgende Worte in Seiner persischen Muttersprache, hier in Übersetzung:
Eintrag in die Alte Bibel
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geschrieben von ‘Abdu’l-Bahá auf Persisch
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»Dieses Buch ist das Heilige Buch Gottes, ein Buch der himmlischen Eingebung. Es ist die Bibel der Erlösung, das erhabene Evangelium. Es ist das Geheimnis des Königreiches und sein Licht. Es ist die göttliche Gnadengabe, das Zeichen der Führung Gottes.
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‘Abdu’l-Bahá ‘Abbás«
Ansprache ‘Abdu’l-Bahás im City Temple
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Sonntag, 10. September 1911
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»O edle Freunde, die ihr Gott sucht! Preis sei Gott! Heute strahlt das Licht der Wahrheit in seiner ganzen Fülle über die Welt, die Brisen des himmlischen Gartens wehen durch alle Regionen, der Ruf des Königreichs wird in allen Ländern vernommen und der Odem des Heiligen Geistes von allen gläubigen Herzen erfühlt. Der Geist Gottes gibt ewiges Leben. In diesem wunderbaren Zeitalter ist der Osten erleuchtet, der Westen ist von Duft erfüllt, und überall atmet die Seele den heiligen Wohlgeruch. Das Meer der Einheit der Menschheit wogt vor Freude, denn die Herzen und Gedanken der Menschen kommen tatsächlich in Verbindung miteinander. Das Banner des Heiligen Geistes ist erhoben. Die Menschen sehen es, und die Erkenntnis dieses neuen Tages gibt ihnen Gewissheit.
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Dies ist ein neuer Zyklus menschlicher Macht. Alle Horizonte der Welt sind erleuchtet, und die Welt wird wahrhaftig wie ein Garten und ein Paradies werden. Es ist die Stunde der Einheit für die Menschenkinder, die Stunde, in der alle Rassen und alle Klassen zueinander finden. Ihr seid von überlieferten abergläubischen Vorstellungen befreit, die die Menschen im Stande der Unwissenheit gehalten und die Grundlagen wahrer Menschlichkeit zerstört haben.
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Die Gabe Gottes an dieses erleuchtete Zeitalter ist die Erkenntnis der Einheit der Menschheit und der grundlegenden Einheit der Religion. Der Krieg zwischen den Nationen wird aufhören, und durch den Willen Gottes wird der Größte Frieden kommen; die Welt wird als eine neue Welt gesehen werden, und alle Menschen werden wie Brüder leben.
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In alten Zeiten entwickelte sich im Kampf mit wilden Tieren der Instinkt für das Kriegerische. Man braucht ihn nicht länger; nein, man erkennt vielmehr, dass Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis der Menschheit den größten Segen bringen. Feindschaft ist jetzt nur noch die Folge von Vorurteilen.
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In den Verborgenen Worten sagt Bahá’u’lláh: ›Von allem das Meistgeliebte ist mir die Gerechtigkeit.‹ Gott sei gepriesen, in diesem Land wurde das Banner der Gerechtigkeit gehisst; große Anstrengungen werden gemacht, um allen Menschen einen angemessenen und rechten Platz zu geben. Dies ist der Wunsch aller edlen Naturen; dies ist heute das Gebot für Ost und West; daher werden der Osten den Westen und der Westen den Osten verstehen und schätzen, sie werden einander umarmen wie Liebende, die sich nach langer Trennung gefunden haben.
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Es gibt nur einen Gott, nur eine Menschheit; die Grundlagen der Religion sind eins. Wir wollen Ihn anbeten und preisen für Seine großen Propheten und Sendboten, die Seine Lichtfülle und Seine Herrlichkeit offenbart haben.
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Der Segen des Ewigen sei mit euch in all seiner Fülle, damit jede Seele entsprechend ihrer Fähigkeit, so viel sie kann, aus diesem Reichtum schöpfen mag. Amen.«Diese Ansprache erschien am 13. September 1911 in The Christian Commonwealth und wurde hier mit freundlicher Genehmigung des Verlags abgedruckt. ‘Abdu’l-Bahá sprach von der Kanzel des City Temple auf Persisch. Die Übersetzung ins Englische wurde der Gemeinde dann von Mr. W. Tudor-Pole vorgelesen.A
St. John’s, Westminster: Einführung
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Am 17. September sprach ‘Abdu’l-Bahá auf Einladung seiner Hochwürden Erzdiakon von Westminster nach der Abendmesse zur Gemeinde von Saint John the Divined.i. der Apostel Johannes (Anm. d. Übers.).A. Mit kurzen, herzlichen, seine ganze Haltung kennzeichnenden Worten stellte Erzdiakon Wilberforce den geehrten Botschafter aus dem Osten vor, der für seine Mission des Friedens und der Einheit vierzig Jahre Gefangenschaft und Verfolgung erlitten und nun Meere und Länder durchquert hatte. Der Erzdiakon hatte für seinen Gast den Ehrensitz des Bischofs auf die Stufen vor der Kanzel stellen lassen. Er selbst stand daneben und verlas persönlich die Übersetzung der Ansprache ‘Abdu’l-Bahás. Die Gemeinde war tief bewegt. Sie folgte dem Beispiel des Erzdiakons und kniete nieder, um den Segen des Dieners Gottes zu empfangen, der mit ausgebreiteten Armen dastand, während sich in der Stille seine wundervolle Stimme melodisch hob und senkte. Als der Erzdiakon die Worte: »Wahrlich, der Osten und der Westen sind einander heute Abend an diesem heiligen Ort begegnet«, gesprochen hatte, sang die ganze Versammlung im Stehen die Hymne O God our help in ages past (O Gott, Du uns’re Hilfe in vergang’nen Zeiten), während ‘Abdu’l-Bahá und der Erzdiakon Hand in Hand durch das Seitenschiff zur Sakristei schritten.
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Draußen vor der Kirche hielten die Mitglieder der Heilsarmee ihre Versammlung ab. ‘Abdu’l-Bahá war tief beeindruckt und berührt, als Er die Männer, Frauen und Kinder sah, die da nachts an der Straßenecke zu Gebet und Gesang zusammenkamen.
Ansprache ‘Abdu’l-Bahás in der Kirche St. John’s, Westminster
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17. September 1911
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»O edle Freunde! O ihr Sucher nach dem Königreich Gottes! Der Mensch sucht überall auf der Welt nach Gott. Nur Gott existiert wirklich; doch die Wirklichkeit des Göttlichen ist über alles Verstehen geheiligt.
1.2:4
Die Bilder des Göttlichen, die uns in den Sinn kommen, sind das Erzeugnis unserer Phantasie; sie existieren im Reich unserer Vorstellung. Sie werden der Wahrheit nicht gerecht. Das Wesen der Wahrheit lässt sich nicht in Worte fassen.
1.2:5
Das göttliche Wesen lässt sich nicht erfassen, da es umfassend ist.
1.2:6
Auch der Mensch existiert wirklich, wird aber von Gott umfasst. Daher ist das Göttliche, das der Mensch verstehen kann, nur ein Teil; es ist nicht das Ganze. Das Göttliche ist die eigentliche Wahrheit und das wirkliche Sein, nicht irgendeine Darstellung davon. Das Göttliche birgt das All; es ist selbst nicht Inhalt eines anderen.
1.2:7
Obwohl dem Mineral, der Pflanze, dem Tier und dem Menschen, jedem für sich, wirkliches Sein zukommt, hat das Mineral dennoch kein Wissen von der Pflanze. Es kann die Pflanze nicht wahrnehmen. Es kann sich weder ein Bild von ihr machen noch sie begreifen.
1.2:8
Dasselbe gilt für die Pflanze. Sie mag noch so weit fortschreiten und sich entwickeln, nie wird sie je einen Begriff vom Tier haben oder es verstehen. Sie hat von ihm sozusagen keine Ahnung. Sie hat keine Ohren, kein Seh- und kein Begriffsvermögen.
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Ebenso verhält es sich mit dem Tier. Welch große Fortschritte es innerhalb seines Schöpfungsreiches auch machen mag, wie ausgeprägt seine Empfindungen auch werden mögen, es wird keinen wirklichen Begriff von der Welt des Menschen oder dessen besonderen intellektuellen Fähigkeiten haben.
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Das Tier kann weder verstehen, dass die Erde rund ist, noch dass sie sich im All bewegt. Es begreift weder den zentralen Standort der Sonne, noch kann es sich etwas wie den alldurchdringenden Äther vorstellen.
1.2:11
Mineral, Pflanze, Tier und der Mensch selbst sind real existierende Wesen. Aber der Unterschied zwischen ihren Schöpfungsreichen hindert die der niedrigeren Stufe Angehörenden daran, Wesen und Seinsweise der auf der höheren Stufe Stehenden zu begreifen. Da dem so ist, wie kann dann das Zeitbedingte, Irdische den Herrn der Heerscharen erfassen?
1.2:12
Das ist offensichtlich unmöglich!
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