Shoghi Effendi | Zum wirklichen Leben
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Shoghi Effendi
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Zum wirklichen Leben
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Auszüge aus Briefen und Schriften 1923–1957
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Auszüge aus den Schriften des Hüters1
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Wie oft hörte man den geliebten Meister sagen: Nähme es jeder der Freunde auf sich, auch nur eine einzige Lehre des Glaubens voll und ganz und mit allen Konsequenzen, in Hingabe und Loslösung, mit Beständigkeit und Ausdauer zu befolgen und in allen Taten und Unternehmungen seines Lebens ein Beispiel dafür zu geben, dann würde die Welt sich völlig verändern, und das Antlitz der Erde würde die Herrlichkeit des Paradieses Abhá widerspiegeln. Bedenkt, welch wunderbare Veränderungen erzielt würden, wenn sich die Geliebten des Barmherzigen, sowohl als Einzelperson wie auch als ganze Gemeinde, den Ratschlägen und Ermahnungen entsprechend verhielten, die aus der Feder des Ruhmes geflossen sind.Shoghi Effendi, Brief vom 12. Januar 1923 an die Bahá’í von Persien, aus dem Persischen übersetzt.Q
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Es ist ‘Abdu’l-Bahás Wunsch, ja Sein bindendes Gebot, das Sein Wohlgefallen findet, dass die Bahá’í in allem, selbst im alltäglichen unwesentlichen Tun und Treiben mit anderen Menschen, im Einklang mit den göttlichen Lehren handeln sollen. Er verlangte, dass wir uns nicht mit Bescheidenheit, Demut und Sanftmut begnügen, sondern vielmehr zu Verkörperungen von Selbstlosigkeit und äußerster Nichtigkeit werden. Einst wurden alle ermahnt, rechtschaffen und treu, barmherzig und liebevoll zu sein; in dieser höchsten Sendung wird das Volk von Bahá aufgerufen, sein ganzes Leben zu opfern. Bedenkt, wie sehr die Freunde in den heiligen Sendschreiben und in Seinem Testament ermahnt wurden, Rechtschaffenheit, Wohlwollen, Duldsamkeit, Heiligkeit, Loslösung von allem außer Gott und Abstand von allen Versuchungen dieser Welt an den Tag zu legen und sich mit dem Mantel eines guten Charakters und himmlischer Eigenschaften zu schmücken.
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Zuallererst sollten sie jedes nur mögliche Mittel anwenden, um ihr Herz und ihre Beweggründe zu reinigen, sonst ist es nutzlos, sich für Unternehmungen irgendwelcher Art einzusetzen. Ebenso notwendig ist es, sich der Heuchelei und blinden Nachahmung zu enthalten, denn deren übler Geruch wird von jedem verständigen, weisen Menschen bald entdeckt. Darüber hinaus müssen die Freunde die festgesetzten Zeiten für die Anrufung Gottes, für Meditation, Andacht und Gebet, einhalten, da es höchst unwahrscheinlich, ja, so gut wie unmöglich ist, dass irgendwelche Unterfangen ohne die göttlichen Gnadengaben und Bestätigungen gedeihen und Frucht bringen können. Man kann sich kaum vorstellen, welch großen Einfluss aufrichtige Liebe, Wahrhaftigkeit und Reinheit der Beweggründe auf die Seelen der Menschen ausüben. Aber diese Eigenschaften können von keinem Gläubigen erworben werden, solange er sich nicht tagtäglich darum bemüht … Die Geliebten Gottes sollten der Welt vor allem durch die Macht edlen Handelns und eines vornehmen Charakters statt durch Darlegungen und Beweise die Tatsache vor Augen führen, dass die Verheißungen Gottes sich notwendigerweise erfüllen werden, dass sich diese Erfüllung schon jetzt vollzieht und dass die frohen Botschaften klar, einleuchtend und vollständig sind. In der Tat, würden nicht einige hervorragende Seelen die Arena des Dienens betreten und zu einem strahlenden Licht in der Gemeinschaft der Menschen werden, wäre es eine ungeheuerliche Aufgabe, vor den Augen der Weltweisen die Wahrheit dieser Sache zu vertreten. Wenn die Freunde jedoch die Tugenden verkörpern und einen guten Charakter aufweisen, bedarf es der Worte und Argumente nicht mehr. Ihre Taten selbst dienen dann als beredtes Zeugnis, ihr edles Verhalten sichert den Schutz, die Unversehrtheit und den Ruhm der Sache Gottes.Shoghi Effendi, Brief vom 19. Dezember 1923 an die Bahá’í des Ostens, aus dem Persischen übersetzt.Q
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Die Erwählten Gottes … sollten nicht auf den verderbten Zustand der Gesellschaft, in der sie leben, schauen oder auf die Beweise der moralischen Entartung und der Leichtfertigkeit, die die Menschen um sie herum an den Tag legen. Sie sollten sich nicht damit zufriedengeben, dass sie bloß im Vergleich zu den anderen abstechen und herausragen. Vielmehr sollten sie den Blick auf erhabenere Gipfel richten, indem sie sich die Ratschläge und Ermahnungen der Erhabensten Feder als höchstes Ziel setzen. Dann wird alsbald erkannt, wie zahlreich die Stufen sind, die noch durchschritten werden müssen, und wie weit entfernt das ersehnte Ziel liegt, – kein anderes Ziel als das, Beispiel zu sein für himmlische Verhaltensnormen und Tugenden.Shoghi Effendi, Brief vom 30. Oktober 1924 an den Geistigen Rat von Ṭihrán, aus dem Persischen übersetzt.Q
Auszüge aus Briefen, geschrieben im Auftrag des Hüters4
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Es ist unsere Pflicht und unser Vorrecht, die Liebe und Hingabe, die wir für unsere geliebte Sache empfinden, in Taten und Handlungen umzusetzen, die dem höchsten Wohl der Menschheit dienlich sind.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 20. November 1924 an einen Gläubigen.Q
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Wenn Sie die Äußerungen Bahá’u’lláhs und ‘Abdu’l-Bahás selbstlos und aufmerksam lesen und sich ganz darauf konzentrieren, werden Sie Wahrheiten entdecken, die Ihnen bislang unbekannt waren, und Einsicht in die Probleme gewinnen, vor denen die großen Philosophen der Welt ratlos standen.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 30. Januar 1925 an einen Gläubigen.Q
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Die Hauptsache ist, dass wir ›das Leben leben‹ – , dass unser Leben von den göttlichen Lehren und dem Bahá’í-Geist so sehr durchdrungen ist, dass die Menschen nicht umhin können, in unserem Charakter und in unserem Tun eine Freude und Kraft, eine Liebe und Reinheit, eine Ausstrahlung und Leistungsfähigkeit wahrzunehmen, die uns gegenüber weltlich gesinnten Menschen auszeichnen, so dass die Leute sich fragen, was denn wohl das Geheimnis dieses neuen Lebens in uns ist. Wir müssen völlig selbstlos werden und uns Gott hingeben, so dass wir jeden Tag und jeden Augenblick bestrebt sind, nur das zu tun, was Gott von uns erwartet, und zwar in der von Ihm gewünschten Art und Weise. Wenn wir uns darum aufrichtig bemühen, dann werden vollkommene Einheit und Eintracht unter uns herrschen. Wo es an Eintracht mangelt, da fehlt der wahre Bahá’í-Geist. Wenn wir diesen Wandel in unserem Leben, diese neue Kraft, diese gegenseitige Liebe und Eintracht nicht zeigen, dann sind die Bahá’í-Lehren für uns bloße Theorie.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 14. Februar 1925 an einen Gläubigen.Q
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Wenn wir Bahá’í untereinander kein herzliches Einvernehmen erreichen, dann haben wir den Hauptzweck verkannt, für den der Báb, Bahá’u’lláh und der geliebte Meister gelebt und gelitten haben. Wie Bahá’u’lláh und ‘Abdu’l-Bahá nachdrücklich betonten, ist eine der Grundvoraussetzungen zum Erreichen dieser aufrichtigen Einheit, dass wir unserer instinktiven Neigung widerstehen, unser Augenmerk auf die Fehler und Schwächen anderer zu richten statt auf unsere eigenen. Jeder von uns hat nur ein einziges Leben zu verantworten und das ist sein eigenes. Jeder von uns ist unermesslich weit davon entfernt, »vollkommen« zu sein »wie unser himmlischer Vater vollkommen ist«Vgl. Matthäus 5:48 (Anm. d. H.).Q, und die Aufgabe, unser eigenes Leben und unseren eigenen Charakter zu vervollkommnen, erfordert unsere ganze Aufmerksamkeit, Willenskraft und Energie. Wenn wir unserer Aufmerksamkeit und Energie gestatten, sich durch Herumbessern an anderen und das Beheben ihrer Fehler aufzuzehren, vergeuden wir kostbare Zeit. Wir sind wie Pflüger, von denen jeder sein Gespann zu führen und seinen Pflug zu lenken hat. Um seine Furche gerade zu halten, muss jeder sein Ziel im Auge behalten und sich auf seine eigene Aufgabe konzentrieren. Wenn er da- oder dorthin schaut, um zu sehen, wie Hans und Gustav zurechtkommen und um ihre Arbeit zu kritisieren, dann wird seine eigene Furche bestimmt krumm. Kein Thema wird in den Bahá’í-Schriften eindringlicher betont als die Notwendigkeit, alles Herumkritisieren, alle üble Nachrede zu vermeiden. Vielmehr sollen wir immer daran arbeiten, unsere eigenen Fehler zu entdecken und auszumerzen und unsere eigenen Schwächen zu überwinden.
7:2
Wenn wir unsere Treue zu Bahá’u’lláh, zu unserem Geliebten Meister und zu unserem lieben Hüter beteuern, dann sollten wir unsere Liebe dadurch zeigen, dass wir diesen klaren Lehren gehorchen. Sie verlangen Taten, nicht Worte, und kein noch so eifriges Bekunden von Loyalität und schmeichelndem Lob kann ein Ersatz dafür sein, dass wir im Geiste der Lehren zu leben versäumt haben.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 12. Mai 1925 an einen Gläubigen.Q
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Auf die Frage, ob es gestattet sei, eine Unwahrheit zu sagen, um einem anderen aus der Gefahr zu helfen, äußert er die Meinung, dass wir unter keinen Umständen eine Unwahrheit sagen, jedoch gleichzeitig versuchen sollten, dem Betreffenden auf etwas legitimere Weise zu helfen. Gewiss ist es nicht nötig, dass wir uns allzu deutlich äußern, ehe die Frage direkt an uns gerichtet wird.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 21. Dezember 1927 an einen Gläubigen.Q
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Wir sollten aber nicht vergessen, dass ein Wesensmerkmal dieser Welt Leid und Drangsal ist und dass wir, indem wir diese überwinden, uns moralisch und geistig weiterentwickeln. Wie der Meister sagt: »Leid ist mit Furchen zu vergleichen; je tiefer diese gehen, desto reichere Ernten werden wir einbringen«.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 5. November 1931 an einen Gläubigen.Q
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Im Bayán sagt der Báb, dass alle früheren Religionen hätten universell werden können. Der einzige Grund, weshalb ihnen diese Bedeutung zu erreichen misslang, war die Unzulänglichkeit ihrer Anhänger. Er fährt dann fort mit der klaren und bestimmten Verheißung, dass dies nicht das Schicksal der Offenbarung dessen sei, »den Gott offenbaren werde«, dass diese Offenbarung vielmehr als Weltreligion alle Völker der Erde einbeziehen werde. Dies zeigt, dass wir letzten Endes erfolgreich sein werden. Aber könnte es nicht sein, dass wir durch unser Pflichtversäumnis, durch mangelnde Opferbereitschaft und weil wir nur ungern unser Bemühen auf die Verbreitung der Sache konzentrieren, die Verwirklichung dieses Ideals hinauszögern? Und was könnte das bedeuten? Es würde bedeuten, dass wir vor Gott zur Rechenschaft gezogen werden, dass die Menschheit noch länger in ihrem Zustand des Eigensinns verharrt, dass der Krieg nicht so bald überwunden wird und das Leiden der Menschen länger andauert.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 20. Februar 1932 an einen Gläubigen.Q
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Jeder Tag hat seine bestimmten Erfordernisse. In den frühen Tagen brauchte der Glaube Märtyrer und Menschen, die alle Arten von Grausamkeit und Verfolgung ertragen konnten, wenn sie ihren Glauben kundtaten und die Botschaft Gottes verbreiteten. Diese Tage sind jedoch vorüber. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt braucht der Glaube keine Märtyrer, die für ihren Glauben sterben, sondern Diener, deren Sehnsucht es ist, den Glauben in der ganzen Welt zu lehren und fest anzusiedeln. Leben, um lehren zu können, bedeutet heute so viel wie in jenen frühen Zeiten der Märtyrertod. Was zählt ist der Geist, der uns vorantreibt, nicht die Handlung, durch die dieser Geist sich äußert; und mit diesem Geist ist gemeint, dass wir der Sache Gottes mit Herz und Seele dienen.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 3. August 1932 an einen Gläubigen, zitiert in Bahá’í News, Nr. 68, November 1932, p. 3.Q
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Es ist seine aufrichtige Hoffnung, dass durch diese Opfer das Gebäude vollendet und zu einem Brennpunkt für den Geist und die Verbreitung der Sache dortzulande werden, das Licht der Führung von ihm ausgehen und dieser niedergeschlagenen Menschheit Freude und Hoffnung ins Herz legen möge.
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Wenn Sie Nabíls Geschichtswerk studieren, werden Sie sehen, wie der Glaube durch das stete Opfer der Freunde gespeist wurde. Unter Entbehrungen, Verfolgungen und ständigen Leiden wurde die Botschaft Bahá’u’lláhs in der Welt fest angesiedelt.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 30. November 1932 an einen Gläubigen.Q
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Den Ihnen von Shoghi Effendi gegebenen Rat, Ihre Zeit zwischen dem Dienst an der Sache und der Erfüllung Ihrer übrigen Verpflichtungen aufzuteilen, haben Bahá’u’lláh und der Meister ebenfalls vielen anderen Freunden gegeben. Er bedeutet einen Kompromiss zwischen zwei Versen des Aqdas, von denen der eine jeden Bahá’í verpflichtet, der Verbreitung des Glaubens zu dienen, während der andere besagt, dass jede Seele irgendeiner Beschäftigung nachgehen soll, die der Gesellschaft nützt. In einer Seiner Schriften sagt Bahá’u’lláh, dass an diesem Tag einem Beruf nachzugehen und für seinen Unterhalt selbst aufzukommen die höchste Form der Loslösung sei. Ein guter Bahá’í ist also, wer sein Leben so gestaltet, dass er seine Zeit sowohl seinen materiellen Bedürfnissen als auch dem Dienst an der Sache widmet.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 26. Februar 1933 an einen Gläubigen.Q
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Ich brauche ihnen nicht zu sagen, wie tief er die Tatsache bedauert, dass in Bahá’í-Versammlungen und ganz besonders bei einem so wichtigen Treffen wie der Nationaltagung so viele negative Kräfte am Werk sind. Die oft wiederholten Worte des Meisters in Bezug auf Einheit und einmütige Zusammenarbeit unter den Freunden sollten heute mehr denn je sorgsam und gewissenhaft beherzigt werden. Nichts widerspricht dem Geist der Sache mehr als Zwietracht und Streit, der unvermeidbaren Folge von Selbstsucht und ungebührlichem Verlangen. Völlige Loslösung und selbstloser Dienst sollten die alleinigen Beweggründe jedes wahren Gläubigen sein. Und solange es nicht jedem einzelnen Freund gelingt, diese Eigenschaften in lebendiges Handeln umzusetzen, können wir keinen weiteren Fortschritt erhoffen. Gerade jetzt sind Einheit des Denkens und Handelns am allernötigsten. Gerade jetzt, da der Glaube in eine neue Entwicklungsphase eintritt, da sich seine Gemeindeordnung inmitten des Aufruhrs und der chaotischen Wirren einer zusammenbrechenden Zivilisation allmählich festigt, sollten die Freunde eine geschlossene Front gegen jene Kräfte innerer Uneinigkeit bilden, die, wenn sie nicht vollständig ausgetilgt werden, unser Werk unweigerlich zerstören.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 24. September 1933 an einen Gläubigen.Q
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Er beklagt ganz besonders die Tatsache, dass die Vertreter der höchsten administrativen Institution in Ihrem Land Meinungsverschiedenheiten und Missverständnissen gestattet haben, ein derartiges Ausmaß anzunehmen, wiewohl sämtliche Prinzipien und Gesetze der Gemeindeordnung von ihm seit dem Hinscheiden des Meisters mit aller Klarheit und allem Nachdruck in so vielen Botschaften erklärt worden sind. Wenn solchen Schwierigkeiten nicht sofort und energisch Einhalt geboten wird, können sie der organisierten Gemeinschaft der Sache Gottes unermesslichen Schaden zufügen und nicht nur den Zustrom, sondern auch die Wirksamkeit ihres Geistes auf die Welt verzögern. Bei eingehender und leidenschaftsloser Prüfung findet man die Ursache für alle diese Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen stets in Egoismus und Selbstsucht.
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Und wenn diese giftigen Gefühle nicht gänzlich überwunden werden, kann es keine Hoffnung auf ein wirksames Arbeiten und Vorankommen des Verwaltungssystems der Sache geben.Shoghi Effendi, Brief im Auftrag des Hüters vom 9. Mai 1934 an einen Gläubigen.Q
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