Universales Haus der Gerechtigkeit | Botschaft vom 2008-10-31 Zu den Anschuldigungen gegen Bahá’í und den Angriffen auf den Glauben im Iran
weiter nach oben ...
0_1
Das Universale Haus der Gerechtigkeit
0_2
31. Oktober 2008
0_3
An die Gläubigen in der Wiege des Glaubens
0_4
Innig geliebte Freunde,
1
In den vergangenen Monaten haben die Bahá’í der Welt mit Freude und Dankbarkeit miterlebt, wie offen gesinnte Iraner mutige und noch nie dagewesene Schritte zur Verteidigung der Bürgerrechte ihrer Mitbürger unternahmen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Zur gleichen Zeit jedoch wurde ein kleiner Teil der Bevölkerung, manipuliert von den Kräften des Hasses und des Vorurteils, die Ursache weiterer Schwierigkeiten für die Bahá’í-Gemeinde. In einem Klima, geprägt durch das Ausstreuen von Fehlinformation und weit verbreiteter Verleumdung in nie da gewesener Intensität, und in dem den Bahá’í die Möglichkeit verwehrt ist, die Medien zu ihrer Verteidigung zu nutzen, kann man jedoch denjenigen, die unter dem Einfluss solcher Kräfte stehen, nicht die volle Schuld zuweisen.
2
Angesichts solcher Widrigkeiten bleiben Sie überzeugt von der Fähigkeit des iranischen Volkes, Wahrheit zu erkennen, und Sie bemühen sich mit Weisheit, irreführende Informationen zu berichtigen. Mögen Sie nicht nachlassen in dieser Aufgabe. Lassen Sie sich nicht erschrecken durch die Schärfe der gegen Sie gerichteten Angriffe. Geben Sie dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung nicht nach. Durchhaltevermögen und Geduld sind erforderlich, um den Einflüssen von Verleumdung und übler Nachrede entgegen zu wirken. Das Endergebnis ist klar: das Licht der Wahrheit wird die Finsternis des Betrugs zerstreuen.
3
Einer der Anklagepunkte, die vorgebracht werden, ist, dass die Bahá’í des Iran politische Verbindungen mit ausländischen Mächten haben und den Interessen ihres eigenen Landes und ihrer Regierung entgegenwirken. Sie sollten jede Gelegenheit ergreifen, um Ihren Mitbürgern den wesentlichen Grundsatz des Glaubens zu erläutern, welcher Einmischung in parteipolitische Aktivität jeglicher Art streng verbietet, sei es auf örtlicher, nationaler oder internationaler Ebene. Die Bahá’í sehen in der Regierung ein System für die Erhaltung des Wohlergehens und des geordneten Fortschritts der menschlichen Gesellschaft, und Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Landes ist ein Kennzeichen ihrer Glaubenssätze. Den Bahá’í, die allen gegenüber wohlwollend sind, ist der Iran lieb und teuer. Ganz gleich in welchem Land sie wohnen, auch in Bahá’u’lláhs Geburtsland, streben sie danach, das Wohlergehen der Gesellschaft zu fördern. Es ist ihre Pflicht, Seite an Seite mit ihren Landsleuten dafür zu arbeiten, Nächstenliebe und Einheit zu fördern und Frieden und Gerechtigkeit zu errichten. Sie bemühen sich, mit allen legalen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, ihre eigenen Rechte wie auch die Rechte anderer hoch zu halten, wobei sie sich allzeit ehrlich und rechtschaffen verhalten. Sie vermeiden Konflikt und Zwietracht. Sie vermeiden es, um weltliche Macht zu kämpfen. Weder streben sie danach, Regierungen zu stürzen, noch beteiligen sie sich an den Plänen anderer, dies zu erreichen. Die Aufzeichnungen der letzten hundertsechzig Jahre belegen diese Aussage.
4
Es gibt Leute, die – sei es aus Mangel an genauer Information oder um ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen – die Errichtung des Bahá’í Weltzentrums in Israel als politische Aussage betrachten – als Beweis für Verbindungen zur zionistischen Bewegung. Jedoch jeder, der auch nur ein elementares Verständnis der geschichtlichen Fakten hat, weiß, dass die Errichtung des Weltzentrums auf die Machenschaften der iranischen Regierung selbst zurückgeführt werden kann. Diese Regierung war es, die Bahá’u’lláh aus seinem Geburtsland Persien verbannte und Seine schließliche Verbannung ins Heilige Land initiierte, das damals der Hoheit des ottomanischen Reiches unterstand – vor etwa hundertvierzig Jahren, achtzig Jahre vor der Errichtung des Staates Israel. Die Beziehung des Weltzentrums mit diesem Staat unterliegt denselben Prinzipien, denen jegliche Bahá’í-Gemeinde folgt – sie wird bestimmt durch Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Landes und strikter Enthaltung von Parteipolitik. In Ihren Bemühungen, diesen Punkt zu klären, finden Sie es vielleicht nützlich, sich auf die Antwort zu beziehen, die Shoghi Effendi als Oberhaupt des Glaubens dem Richter Emil Sandström gab; dieser hatte im Namen des 1947 gegründeten Spezialkomitees der Vereinten Nationen für Palästina eine Anfrage eingereicht, die sich damals an verschiedene religiöse und nicht-religiöse Gruppen wandte, um deren Einschätzungen zur Zukunft dieses Landes zu erfahren. In einem Brief vom 14. Juli 1947, ein Jahr vor der Geburt des Staates Israel, legte Shoghi Effendi die Bahá’í-Position der Nicht-Einmischung in Parteipolitik klar und wies darauf hin, dass der Glaube sich mit keiner Seite identifiziere „in dem gegenwärtigen tragischen Disput über die Zukunft des Heiligen Landes“. „Da viele der Anhänger unseres Glaubens jüdischen und muslimischen Ursprungs sind“, erklärte er weiter, „haben wir kein Vorurteil der einen oder anderen Gruppe gegenüber und sind sehr darauf bedacht, sie im Hinblick auf ihren gegenseitigen Nutzen und das Wohl des Landes zu versöhnen.“
5
In der Tat, wie bedauerlich ist es, dass Bahá’í irgendeiner Böswilligkeit dem Islam gegenüber beschuldigt werden sollten. Mit Sicherheit sind Sie darauf vorbereitet, diejenigen, die solche Beschuldigungen vorbringen, mit den Bahá’í-Schriften bekannt zu machen, die sich auf den Islam beziehen, als „die gesegnete und leuchtende Religion Gottes“ und den Propheten Muhammad als „die strahlende Lampe höchster Prophetenschaft“, „den Herrn der Schöpfung“ und „die Sonne der Welt“, die „durch den Willen Gottes vom Horizont von Hijáz aus erstrahlte“. Ohne Zweifel sind Sie darauf vorbereitet, Auszüge zu zitieren, die von der Stellung des Imám ‘Alí in Ausdrücken sprechen wie „der Mond am Himmel des Wissens und des Verstehens“ und „der Herrscher am Hof des Wissens und der Weisheit“. Lesen Sie mit ihnen die Tafel der Begegnung, die Bahá’u’lláh Selbst für den Imám Husayn offenbart hat, den Er „den Stolz der Märtyrer“ nennt und „das Tagesgestirn des Verzichtes, das über dem Horizonte der Schöpfung erstrahlt“. Lesen Sie ihnen Stellen aus ‘Abdu’l-Bahás Ansprachen vor, die dieser vor rund hundert Jahren in Kirchen und Synagogen hielt, vor Gelehrten in Europa und Nordamerika, und in denen Er die Stellung und die Bedeutung des Islám betont. Lassen Sie sie teilhaben an dem Bericht von ‘Abdu’l-Bahás Begräbnis, an dem zahllose Menschen der Region teilnahmen, darunter Tausende von Muslimen, die kamen, um Ihm die letzte Ehre zu erweisen, und machen Sie sie mit den Lobreden bekannt, die der Mufti von Haifa und andere muslimische Führer bei dieser Gelegenheit zu Seinen Ehren hielten.
6
Die Verbreitung von Verleumdung und übler Nachrede einzudämmen ist nicht Ihre einzige Herausforderung. Der Druck vielfältiger sozialer und wirtschaftlicher Art – nicht zuletzt der, den Bahá’í-Jugendlichen den Zugang zu höherer Bildung zu verweigern und die Feindseligkeit, denen Bahá’í-Schulkinder mancherorts ausgesetzt sind – steigt weiter. Andererseits nimmt der Anteil der Bevölkerung zu, der Ihren Mut, Ihre Kühnheit, Ihre Geduld und Ihre Standhaftigkeit im Angesicht der steigenden Flut von Heimsuchungen preist. Die Entschlossenheit der großen Mehrheit der Gläubigen, lieber mit Schwierigkeiten zu leben als Zuflucht in anderen Ländern zu suchen, was von vielen als Zeichen ihrer Liebe für ihr Vaterland gesehen wird, hat ihnen großen Respekt verschafft.
7
Gegenwärtig scheint es einige zu geben, welche die geringste Spur von unguten Gefühlen, die sie unter den Gläubigen bemerken, auszunützen suchen, und bilden sich ein, sie könnten dies zur Ursache von Streit und Uneinigkeit in Ihrer Gemeinde machen und Ihre Moral schwächen. Aber Ihnen ist selbstverständlich bewusst, wie höchst wichtig es ist, die Einheit der Gemeinde zu erhalten und zu stärken. Geschützt durch die Macht des Bundes haben Sie und Ihre geistigen Vorfahren mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang den unerbittlichen Angriffen der Feinde standgehalten, von denen einige sich erhoben, um die Gottessache öffentlich zu verleumden, während andere, gute Absichten vortäuschend, darauf aus waren, Samen der Uneinigkeit in ihren Reihen zu säen. Sie sind sich dessen sehr wohl bewusst, dass „Uneinigkeit das göttliche Gebäude zerstört und die Verbreitung des Glaubens verlangsamt“, und in Ihren Taten und Ihrem Verhalten haben Sie die Worte ‘Abdu’l-Bahás unter Beweis gestellt: „Dieser Tag ist der Tag der Einheit, und diese Zeit ist die Zeit der Harmonie. Einheit und Harmonie wird das Volk der Bösartigkeit zu Fall bringen.“
8
Während die Völker der Welt gerade erst begonnen haben, friedliche Koexistenz zu erlernen, ist es die Weisheit des geliebten Meisters selbst, die Sie in der Förderung von Einheit und Eintracht unter den Völkern schult. Sie haben Vertrauen in deren konstruktive Kräfte. Nun müssen Sie, mehr denn je, in Betracht ziehen, was dazu führt, die Bande der Liebe und Kameradschaft unter den Gläubigen in diesen schwierigen Zeiten zu stärken und unablässig Gottes Bestätigungen erflehen.
9
Indem Sie sich fest an die göttlichen Lehren halten und der Führung des Zentrums des Glaubens folgen, ist es Ihnen gelungen, Einheit des Denkens in Fragen, die den Dienst an der Sache und die Förderung geistiger Zivilisation betreffen, zu erreichen. Mögen Sie den Wert dieser Leistung erkennen und seine Bedeutung nicht unterschätzen. Sie sind sich auch eines wesentlichen praktischen Punktes bewusst, nämlich: dass die Gläubigen unterschiedlich sind im Umfang ihrer Fähigkeiten, ihrer Talente und Vorgehensweise, in ihrem Verständnis, ihrer Weisheit und geistiger Disziplin, in dem Grad ihres Engagements und der Bereitschaft zum Opfer, wie auch in ihren persönlichen Neigungen und Prioritäten. Als Mitglieder einer vielfältigen, aber geeinten Gemeinde, müssen Sie also, einer und alle, eng verwoben bleiben wie die Fasern im Seil des Bundes, an dem sich alle festhalten müssen. Seien Sie zu allen Zeiten eine Quelle der Ermutigung und Unterstützung füreinander und suchen Sie gemeinsam neue Wege des Dienstes. Mögen Sie, in enger Gemeinschaft mit Freunden, Nachbarn und Bekannten, das Dunkel der Ungerechtigkeit und Tyrannei mit dem Licht der Liebe und Treue vertreiben. Achten Sie nicht auf Gerüchte. Vielmehr lassen Sie sich stützen durch die Macht der Einheit und vertrauen Sie auf den durchdringenden Einfluss von „heiligen Worten und reinen und guten Taten“ und „ein tugendhaftes Leben und gutes Verhalten“ – dies, damit Sie die Ursache von Liebe, Einheit und Harmonie innerhalb Ihrer Gemeinde und unter Ihren Mitbürgern werden mögen. Seien Sie zuversichtlich, dass jeder Schritt, der auf dem Pfade Gottes mit Aufrichtigkeit getan wird, himmlische Bestätigungen anzieht, denn Er „verleiht dem Tropfen die Macht des Meeres und verwandelt das Atom wahrhaft in eine Sonne“.
10
Seien Sie unserer ständigen Gebete für Sie in den Heiligen Schreinen gewiss.
10_5
[gezeichnet: Das Universale Haus der Gerechtigkeit]
weiter nach unten ...